Kennzeichnungspflicht für Beamte: Polizisten fürchten die Bürger
Bis Jahresende will der Polizeipräsident die Kennzeichnungspflicht für seine Beamten durchsetzen. Doch deren Personalvertreter sperren sich weiterhin hartnäckig.
Das Vorhaben gehört zu den ambitioniertesten der rot-roten Innenpolitik - und bis Ende dieses Jahres soll es endlich umgesetzt sein. Dann sollen Berlins Polizisten an ihren Uniformen Namens- oder Nummernschilder tragen. "Dabei bleibe ich", bestätigte Polizeipräsident Dieter Glietsch der taz den Zeitplan.
Bei den Betroffenen stößt Glietschs Plan allerdings nach wie vor auf wenig Gegenliebe. Ende Mai scheiterte das Einigungsverfahren zwischen Polizeibehörde und Hauptpersonalrat; der Personalrat hatte das Vorhaben bereits im Januar einstimmig abgelehnt. Nun muss die Einigungsstelle entscheiden. "Da ich von meiner Sache überzeugt bin, rechne ich damit, dass sie so entscheiden wird, wie ich entschieden habe", gibt sich der Polizeipräsident siegessicher.
Gestritten wird über ein Schildchen, das alle Berliner Polizisten mittels Knopf an ihrem Revers befestigen sollen. Auf Vorderseite des Schilds soll der Name des Polizisten stehen, auf der Rückseite seine Dienstkartennummer. Ob er sich dem Bürger lieber mit Namen präsentiert oder mit Nummer, ist ausdrücklich den Beamten überlassen.
Seit mehr als 30 Jahren fordern Bürgerrechtsgruppen die Einführung dieser individuellen Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Allerdings ging es ihnen dabei vor allem um geschlossene Einheiten wie die Hundertschaften. Schläger in Uniform können leichter identifiziert werden, wenn sie individuell gekennzeichnet wären, so die Annahme.
Die Umsetzung der Forderung ist bislang am Widerstand der Polizeigewerkschaften und Personalräte gescheitert. Feindlich gesonnene Bürger könnten die Beamten und deren Familien ausspionieren und drangsalieren, begründet der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper, die rigorose Ablehnung.
Glietsch hält diese Befürchtung für irrational. Die ihm bekannt gewordenen Fälle von Bedrohungen hätten allesamt nichts mit dem Tragen des Namensschilds zu tun gehabt. Jeder Kripobeamte, der im Bereich der organisierten Kriminalität gegen Schwerstkriminelle ermittele, habe seinen Namen am Dienstzimmer zu stehen, in dem auch Beschuldigte verhört würden. Auch unter den Vernehmungsprotokollen sei der Name des Beamten vermerkt. "Das alles dürfte nicht sein, wenn es eine Gefährdung gäbe."
Dass ausgerechnet der oberste Dienstherr derjenige ist, der die Kennzeichnung so vehement vorantreibt, schmeckt den Beschäftigtenvertretern gar nicht. "Der läuft doch am Bändel der rot-roten Koalition", wird Glietsch unterstellt. Der verwahrt sich entschieden dagegen. "Ich setze hier kein politisches Vorhaben um, sondern mein eigenes", so der Polizeipräsident. Im Koalitionsvertrag sei lediglich vereinbart, die Angehörigen der geschlossenen Einheiten zu kennzeichnen. "Mein Anliegen ist, dass alle Berliner Polizisten ein Namensschild tragen. Das ist mein Verständnis von einer bürgerfreundlichen Polizei." Dass dadurch möglicherweise auch Polizisten, die im Dienst Straftaten begehen, leichter ermittelt werden könnten, sei nur ein "Nebeneffekt".
Wie wichtig das Projekt für Glietsch ist, zeigt die Zielstrebigkeit, mit der er sich von Beginn an dahinterklemmt. Seit 2002 Polizeipräsident, erließ er 2003 eine Geschäftsanweisung, die das Tragen der Namensschilder auf freiwilliger Basis empfahl. "Der Erfolg war aber nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte." Im September 2009 folgte die Geschäftsanweisung, die zum Tragen des Schilds verpflichtet und über die keine Einigkeit mit den Beschäftigtenvertretern erzielt werden kann.
Die Einigungsstelle, die jetzt angerufen wird, ist ein Gremium, das aus drei Arbeitnehmer- und drei Arbeitgebervertretern sowie einem Richter besteht. Sie wird vermutlich erst nach den Sommerferien zusammen kommen. Aber selbst wenn die Entscheidung nicht im Sinne des Polizeipräsidenten ausfällt, hat der noch lange nicht verloren. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) könnte dann eine Senatsentscheidung beantragen. "Nach meiner Kenntnis würde er das auch tun", sagt Glietsch.
"Wenn alles so läuft wie der Polizeipräsident es will, könnte die Geschäftsanweisung relativ schnell in Kraft gesetzt werden", befürchtet auch Arne Wabnitz, Mitglied des Hauptpersonalrats. GdP-Chef Purper fordert, nicht der Polizeipräsident, sondern das Parlament "muss über die Einführung der namentlichen Zwangskennzeichnung entscheiden". Und zwar durch namentliche Abstimmung der Abgeordneten, "um öffentlich zu machen, dass ihnen die Sicherheit der Polizeimitarbeiter und ihrer Familien nichts wert ist".
Trotz solcher Töne zeigt sich der Polizeipräsident weiter kompromissbereit: Denkbar sei zum Bespiel, dass die Angehörigen der geschlossenen Einheiten an ihrem Einsatzanzug immer die Dienstkartennummer statt ihres Namens trügen. "Aber auch darüber wollte sich keiner von den Beschäftigtenvertretern mit mir unterhalten", so Glietsch. Das Vorhaben werde weiterhin komplett abgelehnt. Trotzdem sei er weiterhin bereit zu verhandeln. Nur eines werde er nicht zulassen: "dass das Projekt aufgeweicht wird".
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