: Keiner der „Kriegsverbrecher“ verurteilt
■ Namen der auf Gromykos Kriegsverbrecherliste genannten Personen veröffentlicht / Bislang hat es in der BRD im Verfahren gegen die Beschuldigten nur Freisprüche und Verfahrenseinstellungen gegeben
Berlin (taz/dpa) - Von den 16 in einem Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Moskau überreichten Auslieferungsbegehren aufgeführten mutmaßlichen Kriegsverbrechern ist bis heute kein einziger in der Bundesrepublik verurteilt worden. Die teilweise deutschstämmigen Sowjetbürger wurden freigesprochen oder Verfahren gegen sie aus Beweismangel oder gesundheitlichen Gründen eingestellt. Bei einigen haben trotz vorliegenden Belastungsmaterials Vorermittlungen nach inzwischen mehr als 40 Jahren gerade erst oder überhaupt noch nicht begonnen. Unterlagen über die den Männern zur Last gelegten Verbrechen auf sowjetischem Boden waren den deutschen Strafverfolgungsbehörden in den vergangenen sechs bis 19 Jahren aus der Sowjetunion zugesandt worden. Sowjetbürger hatten sich als Zeugen zur Verfü gung gestellt. Die Liste der Männer, die nach sowjetischer Einschätzung von deutscher Seite geschützt würden, wurde am Wochenende in der Springer–Zeitung Die Welt veröffentlicht. Auf der durch das sowjetische Staatsoberhaupt Gromyko persönlich ausgehändigten Liste befinden sich: Ewald Simon, geb. 1910 in Milenki, Material gegen ihn war 1977 und 1978 zur Verfügung gestellt worden. 1980 wurde er vom Landgericht Braunschweig freigesprochen. Karl Kaufmann, geb. 1912 in Bergkamen, Unterlagen gegen ihn waren 1980 eingegangen, Freispruch durch das Landgericht Dortmund. Albert Krüger, geb.1915 in Mochisch, Belastungsmateril wurde 1968 und 69 ausgehändigt. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte 1970 aus gesundheitlichen Gründen. Wilhelm Westerheide, geb. 1908 in Senne. Unterlagen über ihn waren 1982 eingetroffen. Der Freispruch folgte noch im selben Jahr. Robert Braun, geb 1920, Artur Kraft, geb. 1922, Wilhelm Remier, geb 1922, Franz Frank, geb. 1923, Iwan Führer, geb. 1921, Jakob Schwenk, geb. 1920, Peter Schmidt, geb. 1923. Eduard Schmirer, geb. 1922. Alle kommen aus Worms bei Odessa. Belastungsmaterial gegen sie war bereits 1980 an die deutsche Justiz überreicht worden. Die Strafverfolgung ist bis heute nicht aufgenommen worden. Michael Scheftner, geb. 1919 in Jamburg in der UdSSR, Belastungsmaterial wurde 1981 geliefert, zusätliche Unterlagen wurden bis 1987 nachgereicht. Bis heute ermittelt noch immer das Landgericht Kassel. Albert Fechtner, geb. 1923 in Jagodinka. Beweismaterial war 1980 und 1986 in der BRD eingegangen. Das Verfahren ist in Verden an der Aller anhängig. Ignaz Sinjawskij, geb. 1912 in Alexandrowka bei Kiew. Mathias Karman, Belastungsmaterial gegen ihn wurde bereits 1976 übersandt. Eine Strafverfolgung wurde noch nicht aufgenommen. Da die Beschuldigten beinahe alle über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, ist eine Auslieferung fast ausgeschlossen. Lafontaine: Weizsäcker öffnet Türen Der stellvertretende SPD–Vorsitzende Oskar Lafontaine hat gestern dem Bundespräsidenten nach dem Moskau–Besuch bescheinigt, daß er eine „hervorragende Rolle“ spiele. Von Weizsäcker mache eine sehr sorgfältig überlegte Politik. Es sei nur zu begrüßen, „daß der Bundespräsident da und dort Türen wieder öffnet, die vielleicht noch verschlossen waren“.
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