Keine neuen Gedanken-betr.: taz vom 30.7.88, 10.12. und 24.12.88, Artikel von Annegret Stopczyk und Regine Reichwein

betr.: taz vom 30.7., 10.12. und 24.12.88, Artikel von Annegret Stopczyk und Regine Reichwein

(...) Wofür machten diese Frauen soviel Worte? Hat frau den Nebel der Theoriebildung erstmal durchschritten, bleibt als Erkenntnis nur Kopfschütteln und Stirnrunzeln. So kamen weder neue Gedanken zum Vorschein, noch boten sie differenziertere Erkärungsansätze als ihre Vorschreiberinnen, Vordenkerinnen. Im Gegenteil, diese werden nicht einmal mehr erwähnt. Was unterscheidet Annegret Stopzcyk und Regina Reichwein von Christina Thürmer-Rohr? Letztere kann wenigstens noch originell schreiben (eine Kunst, die zunehmend ausstirbt und daher auch einmal einer Würdigung wert sein sollte).

Die Leibphilosophie einer Annegret Stopzcyk und Christel Neusüß, was haben sie mit Regine Reichwein gemeinsam? Erste beschwören eine Philosophie des Leibes, das ist die Abschwörung von der männlich-patriarchalischen Vernunft, die Hinwendung zum Anderen, einer weiblichen Selbsterkenntnis, „sozusagen eine 'mütterliche‘ Sichtweise, in der es um nichts anderes ginge, als alles Geborene blühen und gedeihen sehen (zu) wollen, und dabei selber am Gedeihen teilzunehmen.“ (Stopzcyk, 30.7.88). Gewiß keine verwerfliche Äußerung, aber doch eine, die uns nachdenklich stimmen sollte. Die Trennung in weiblich und männlich, in gut und böse, in Chaos und Vernunft, die doch gerade ein Produkt der Aufklärung und der mit ihr einhergehenden Vernunftphilosophie war - hier wird sie mit anderen Mitteln fortgesetzt: „Keine Angst haben vor den ANDEREN.“ (Neusüß, 30.7.88). Aber es existiert: „Ob wir Frauen wirklich anders denken und erkennen können als Männer, hängt davon ab, wieviel Mut wir haben, zu unseren unbekannten Erfahrungen zu stehen.“ (Stopzcyk, 10.12.88).

„Das Phantasma der bösen Herrscherin“ (Reichwein, 24.12.88) ist schließlich ein männliches Produkt. „Sie ist das Chaos. Sie ist nicht allmächtig. Sie ist überwältigend. Sie ist nicht allwissend. Sie zerstört, was sie liebt. Sie vernichtet, ohne hinzusehen. Sie ist unfaßbar. Sie ist nicht unsterblich. Sie ist willkürlich.“ (Reichwein 24.12.88). Was sich liest, als wäre es einem Handbuch für Ehemänner entnommen („Deine Frau, das unbekannte Wesen“), ist tatsächlich der Hinweis darauf, daß das Phantasma des guten Herrschers (männlich) und der bösen Herrscherin (weiblich) ein (genau, männliches!) Konstrukt ist. Die Negierung des Phantasma der bösen Herrscherin (denn welche Frau möchte dies sein?) ist herrschafts- also patriarchatsstabilisierend. Die Mittäterschaft der Frau jetzt mal von einem anderen Blickwinkel betrachtet: „Wir sind nicht die böse Herrscherin, wie uns immer wieder eingeredet wird. Wir müssen nicht die Schere im eigenen Kopf haben und uns vorsorglich selbst zurücknehmen, um der anderen Person die Freiheit zu lassen. Die Andere ist frei, auch wenn sie sich als Opfer darstellt.“ (Reichwein, 24.12.88). „Das Phantasma der bösen Herrscherin anzunehmen, bedeutet also, Verantwortung genau bei der Person zu belassen, zu der sie gehört, oder sie wieder dorthin zu verweisen.“ (Reichwein, 24.12.88).

Und hierin liegt nun die politische Zielrichtung aller drei Artikel: Rückkehr zu sich selbst (und sei's auch nur zum eigenen Körper). That's it, so what?

Brigitte Nill, Berlin 30