■ Keine neue Regierung in der bosnischen Republika Srpska: Stunde der Dekrete
Die „Serbisch Demokratische Partei“ (SDS) kann ihre Niederlage bei den letzten Wahlen nicht so recht verschmerzen. Ihr ideologisches Fundament aus aggressivem Nationalismus und Intoleranz bekommt Risse. Die versteinerte Miene von Momčilo Krajišnik, dem serbischen Repräsentanten im bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidium, während der Sitzung des Parlamentes der Republika Srpska sprach Bände. Denn selbst mit den Stimmen der ebenfalls rechtsextremistischen „Radikalen Partei“ wird die SDS die Regierungsmacht nicht wiedererlangen. Das heterogene Bündnis aus den SDS-Dissidenten um Biljana Plavšić, den Sozialisten und Sozialdemokraten ist stabiler als von vielen angenommen.
Eine „Regierung der Fachleute“ könnte zwar nochmals Mitglieder der Serbisch Demokratischen Partei einbeziehen, die Regierung insgesamt wird angesichts der Politik der internationalen Gemeinschaft jedoch wesentliche Eckpunkte des Abkommens von Dayton umsetzen müssen. Geschieht dies, kann die Trennung der Bevölkerung nicht mehr aufrecht- und die Rückkehr der Vertriebenen nicht mehr aufgehalten werden.
Die Handlungsunfähigkeit des Parlamentes der Republika Srpska stärkt die Stellung des Hohen Repräsentanten und der Präsidentin Biljana Plavšić. In Abstimmung zwischen diesen Partnern sollen in den nächsten Wochen einige wichtige Dekrete durchgesetzt werden. Vom Staatsbürgerrecht über einheitliche Nummernschilder der Kraftfahrzeuge bis hin zu einer gemeinsamen Währung – alles Maßnahmen, die eine Reintegration Srpskas in die Gesellschaft Bosnien-Herzegowinas erleichtern sollen.
Der zweite, viel schwierigere Schritt ist die Bildung von politischen Kräften, die in allen Teilen Bosnien- Herzegowinas aktiv sind. Eine (sozial-)demokratische Sammlungsbewegung könnte die zivilen Kräfte aller Volksgruppen bündeln und die Parlamente zu Foren für die Diskussion und Lösung von existentiellen Problemen machen. Sie könnte den Wiederaufbau der Wirtschaft befödern, statt ständig alles zu blockieren, die Infrastruktur wiederherstellen, statt Brücken zu sprengen.
Noch ist von solchen Diskussionen im Parlament der Republika Srpska nichts zu hören. Nach den nächsten Wahlen im Sommer 1998 aber werden die heute geführten Diskussionen wahrscheinlich bereits anachronistisch wirken. Erich Rathfelder
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