■ Sudetendeutsche fordern direkte Gespräche mit Tschechien: Keine Verständigung
Seit 50 Jahren zur Versöhnung bereit und jetzt wollen sie nur, daß die Gegenseite mit ihnen redet. Aber was geschieht? Hoffnungsvolle Worte von Václav Havel, Völkerrechtler bezeichnen Vertreibung unmißverständlich als Form des Völkermordes – sonst nichts. Noch immer bleibt die Hand der Sudetendeutschen vergeblich ausgestreckt. So sieht sie sich selbst gern, die Sudetendeutsche Landsmannschaft, und sie tut alles, um dieses Selbstbild auf ihren Treffen immer wieder neu zu inszenieren. Schützenhilfe bekommt sie dabei nach wie vor von CSU und bayerischer Staatsregierung, Waigel und Stoiber haben das am Wochenende nachdrücklich bewiesen.
Die Forderung nach „Dialog mit den Betroffenen“, die so harmlos daherkommt, hat es allerdings in sich. Mal abgesehen davon, daß die Landsmannschaft mit ihrer CSU-Lobby längst an allen Verhandlungs- und Gesprächstischen sitzt, betont die tschechische Regierung zu Recht, daß es um eine deutsch-tschechische Erklärung als Grundlage der beiderseitigen Verständigung gehe und dies auf regierungsamtlicher Ebene auszuhandeln sei. Die Bundesregierung und die CSU müssen also entweder die Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft übernehmen und so ein Scheitern der Gespräche in Kauf nehmen, oder sie müssen den Mut haben, der Landsmannschaft klarzumachen, daß gewisse Dinge mit den Tschechen eben nicht zu machen sind, anstatt permanent feige den schwarzen Peter nach Prag zu schieben.
Die Mehrheit der Sudetendeutschen hat es inzwischen eingesehen, daß die Forderung nach ihrer Entschädigung höchst unrealistisch ist. Mit der an den EU-Beitritt Tschechiens geknüpften Forderung nach Aufhebung der Benesch-Dekrete spielt man jedoch den tschechischen Nationalisten in die Hände. Dies erweckt nicht gerade den Eindruck, als habe man ein gesteigertes Interesse an einer Verständigung.
Ein Dialog mit dem Ziel eines Kompromisses birgt immer einen Verzicht von Teilen der eigenen Positionen in sich. Eine solche Verzichtserklärung versucht aber die Sudetendeutsche Landsmannschaft tunlichst zu vermeiden – und das hat seinen Grund. Jedem in Tschechien ist klar, daß mit der Rückkehr von Sudetendeutschen nicht nur Menschen ins Land kommen, sondern zumeist Menschen mit entsprechendem Kapital, das sich rentieren soll. Und solange das Wohlstandsgefälle weit auseinanderklafft, können die kalten Krieger leicht Kreide fressen. Sie lehnen sich bequem zurück, verlassen sich auf die Macht der D-Mark und bieten den Dialog an. Bernd Siegler
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