Keine Terroristen, nur Mörder

■ Im Hamburger Prozeß gegen drei KurdInnen forderte die Bundesanwaltschaft gestern langjährige Haftstrafen

Knapp ein Jahr nach Prozeßbeginn ist der „Terroristenparagraph“ 129 a vom Tisch: Den KurdInnen Azime Y., Meryem Y. und Sait B. droht keine Verurteilung wegen Mitgliedschaft und Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) mehr. Die Bundesanwaltschaft (BAW) plädierte vor dem Hamburger Oberlandesgericht gestern wegen versuchten Mordes an Fuat Karaarslan auf lange Haftstrafen: Azime Y. soll für sechseinhalb, Meryem Y. für fünf und Sait B. für viereinhalb Jahre hinter Gitter.

Im Oktober 1994 wurde der Kurde Fuat Karaarslan bei einem Überfall in Bremen schwer verletzt, was die BAW für eine Bestrafung seiner Kritik an der PKK hielt. Die Tat sollen Meryem Y. und Sait B. angeordnet haben. Azime Y. muß sich zudem für den Überfall auf Halil Acar in Hamburg verantworten.

Obgleich der Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer „terroristischen Vereinigung“ nicht länger bemüht wird, ist die angebliche Funktion der KurdInnen innerhalb der PKK zumindest für diese Zurechnung erheblich. Azime Y. soll als Regionsverantwortliche Nord und Meryem Y. als Gebietsverantwortliche für Bremen die „Bestrafungsaktionen“ angeordnet haben. Sait B. sei in der PKK „der Mann fürs Praktische“ gewesen: Er habe das Tötungskommando in Bremen an das Opfer herangeführt.

Daß der Paragraph 129a in der Anklage fallengelassen wurde, ist nicht überraschend. Seit Monaten hatten BAW, Strafsenat und die Verteidigung der KurdInnen außerhalb des Gerichtssaales darüber verhandelt. Vergangenen Donnerstag einigten sie sich: Eine Bestrafung nach Paragraph 129 a falle nicht ins Gewicht, prognostizierte der Senat, da er eine Verurteilung wegen der Tötungsversuche erwarte und eine aufwendige Beweisaufnahme für unökonomisch ansah.

In einer Pause ergänzte Bundesanwalt Michael Bruns gestern, die BAW sei gar kein „Terroristenjäger“, „die Prozeßatmosphäre war zugespitzt und läßt sich dadurch entkrampfen“. Unausgesprochen blieb, daß die BAW in erhebliche Beweisnot geraten wäre. Die hätte ihre Behauptung absichern müssen, daß es innerhalb der PKK eine eigenständige „terroristische Vereinigung“ in Deutschland gibt. Die ZeugInnen, die dafür vorgesehen waren, hatten aber vor Gericht entsprechende Aussagen verweigert.

Die Einigung dürfte das Urteil vorwegnehmen, das im März erwartet wird. Abweichend von dieser Einigung forderte die BAW in ihrem Plädoyer die Verurteilung wegen versuchten Mordes. Der Senat hingegen hält eventuell einen Totschlagvorwurf für ausreichend, weil das Tatmotiv das „ernstzunehmende originäre Anliegen der Angeklagten“ sei, „der Kampf für mehr Freiheit der kurdischen Bevölkerungsteile in der Türkei“. Sollte der Senat auch in seinem Urteil darauf erkennen, durchbräche er damit die lange Rechtsprechung zum Paragraphen 129a, die bei RAFlern den politischen Hintergrund stets ingorierte und sie deshalb wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis schickte.

Elke Spanner