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Keine Solidarität mit rebellischem Bischof

■ Von der katholischen Bischofskonferenz der USA wurde die Disziplinierung des Erzbischofs von Seattle durch den Vatikan unterstützt / Der Streit geht um Moralfragen / Treibt Rom die katholische Kirche wieder in die gesellschaftliche Isolation?

Aus Washington Stefan Schaaf

Erzbischof Hunthausen ist ein ungewöhnlicher Geistlicher. Er scheut sich nicht, an Blockaden von Atomwaffenstützpunkten teilzunehmen, er verweigert die Hälfte seiner Steuern und stellt seine Kirche auch schon einmal für eine Schwulen–Messe zur Verfügung. Wenn es Hunthausen nicht gäbe, wäre die Nationale Katholische Bischofskonferenz, die diese Woche in Washington tagt, eine Routineangelegenheit, Thema allenfalls für die Religionsseiten der großen Tageszeitungen oder für altbackene Kirchenblätter. Wen interessiert schon, daß die Kirchenmänner sich auf einen einheitlichen Text für spanischsprachige Messen geeinigt haben, oder daß sie die Weltmission weiterhin für eine wichtige Aufgabe halten? Doch Hunthausens unkonventionelle Auffassungen und die scharfe Reaktion des Vatikans auf den bischöflichen Dissens haben das mehrtägige Treffen in der US– Bundeshauptstadt zu einem Medienereignis werden lassen. Im grellen Scheinwerferlicht der Fernsehkameras saßen die Kirchenführer am Mittwoch in einem Saal des Washingtoner „Hilton“ und verkündeten, daß ihre Mehrheit in diesem Konflikt sich auf die Seite des Papstes und seiner Disziplinierungsmaßnahmen geschlagen habe. Der 65jährige Raymond Hunthausen stammt aus Anaconda/Montana, einer von Kupferbergwerken bestimmten Industriestadt. Wenige Wochen vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahre 1962 wurde er zum Bischof von Helena im US–Bundesstaat Washington ernannt. Seit 1975 amtiert er im Bischofssitz von Seattle. Als zu Beginn der achtziger Jahre auch in den Vereinigten Staaten das Bewußtsein über den atomaren Wahnsinn zu wachsen begann, nahmen des Erzbischofs Schwierigkeiten ihren Anfang. Ausgerechnet im nordwestlichen US–Bundesstaat Washington, in dem zahlreiche Arbeitsplätze von der Rüstungsindustrie abhängen, wuchs eine kirchliche Bewegung gegen Atomwaffen heran, an deren Spitze Hunthausen stand. 1982 verkündete er, aus Protest gegen das Wettrüsten zukünftig die Hälfte seiner Einkommenssteuer dem Fiskus vorzuenthalten, wenig später bezeichnete er ein in der Nähe von Seattle in Dienst gestelltes „Trident“– Atom–U–Boot öffentlich als „das Auschwitz der Puget–Bucht“. Hunthausen stand mit seiner pazifistischen Haltung nicht allein. Andere Bischöfe teilten seine Haltung und ermöglichten die Verabschiedung eines aufsehenerregenden Dokuments gegen die Nuklearwaffen, das die Grenzen der kirchlichen Lehre weit nach vorne verschob. Der Vatikan stellte jedoch nicht die Stellungnahmen Hunthausens gegen das atomare Wettrüsten ins Zentrum seiner Kritik, sondern warf ihm anderes vor: Der Erzbischof sei in Fragen des Geschlechtlichen, sei es bei der Geburtenkontrolle oder der Homosexualität, von der Lehre der Kirche abgewichen. Anfang September dieses Jahres gab Hunthausen bekannt, daß der Vatikan ihn seiner Verantwortlichkeiten in fünf Gebieten entbunden habe - ein Vorgehen, welches bisher nur für den Fall der Senilität oder Unzurechnungsfähigkeit eines kirchlichen Würdenträgers vorgesehen war. Der Sündenkatalog des Erzbischofs wurde dann im Oktober öf fentlich gemacht: Hunthausen habe geschiedenen Katholiken die Sakramente erteilt; er habe das Verbot von Sterilisierungen in katholischen Krankenhäusern nicht durchgesetzt; er sei Homosexuellen zu weit entgegengekommen und habe Nichtkatholiken am Abendmahl teilnehmen lassen. In den folgenden Wochen wurde das Vorgehen des Vatikans zum Thema öffentlicher Debatten in den USA, die nichts weniger zum Thema hatten als das Verhältnis der Kirche zur Gesellschaft, in der sie existiert. Der Vatikan hat jetzt nicht zum ersten Mal versucht, das Entstehen eines lebendigen Austausches zwischen der katholischen Lehre und den weltlichen Ideen zu unterbinden. Die 52 Millionen Katholiken in den Vereinigten Staaten sind heute in den meisten Fragen weniger dogmatisch als die orthodoxe Verkündung aus Rom. Sie praktizieren vorehelichen Geschlechtsverkehr ebenso wie Geburtenkontrolle, sie befürworten die Möglichkeit der Ehescheidung genauso wie die weiblicher oder verheirateter Pfarrer. Ungefähr die Hälfte findet nichts Sündiges an einem schwulen Paar, und ein Drittel der amerikanischen Katholiken möchten, daß Abtreibungen weiter legal sind. Mit der Wahl Karol Woytilas zum Papst vor acht Jahren schlug der Vatikan einen härteren Kurs ein. Zunächst waren es nur Konflikte um kirchliche Schriften, die in Rom Mißfallen erregt hatten, dann sickerten Absichten durch, die akademische Freiheit in katholischen Colleges und Universitäten an kürzere Zügel zu nehmen. Im Sommer dieses Jahres mußte der erste katholische Hochschullehrer gehen. Charles E. Curran hatte nicht die richtige Meinung zur Homosexualität. Im September mußte Terrance Sweeney den Jesuiten–Orden verlassen, weil er einen Fragebogen zum Zölibat an die US–amerikanischen Bischöfe versandt hatte. Die Ergebnisse wurden kassiert. Hunthausens Disziplinierung ist das drastischste Beispiel für das Bemühen, die katholische Kirche der Vereinigten Staaten wieder auf Linie zu bringen. Den Verlust an Attraktivität für die Gläubigen meint Rom verschmerzen zu können.

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