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■ Die neuen Landtage verzichten auf den Volksentscheid

In seiner zweiten Sitzung hat der brandenburgische Landtag das Rechtsinstitut eines Volksentscheids für die provisorische Verfassung, genannt „Arbeitsverfassung“, gestrichen. Die Ampelkoalition hatte es vorgesehen; aber es fand nicht die vorgesehene Zweidrittelmehrheit, das heißt nicht die Stimmen der CDU. Ist das eine Nachricht? Kaum. Es ist nur ein kleiner Absatz im fortlaufenden Textbuch eines Neuanfangs, bei dem das Neue ununterbrochen gestrichen wird. Politische Alternativen, Chancen, Zukunftsideen werden einem Diktat des Funktionieren-Müssens geopfert. Das „Beitrittsgebiet“ hastet in die Normalität der Bundesländer, und schon in ein paar Monaten wird sich kaum noch jemand daran erinnern wollen, daß vielleicht etwas anderes möglich war.

Es wird gewissermaßen eine dogmatisierte Version des bundesrepublikanischen Parlamentarismus auf die neuen Bundesländer übertragen. Der in der alten Bundesrepublik schon kritisierte „repräsentative Absolutismus“ (Simon) wird in diesen Ländern zum Organisationsprinzip der neuen politischen Klasse, die am Anfang nichts Besseres zu tun hat, als andere Wege der politischen Willensbildung abzuwehren. Schon deswegen ist die formale Übertragung der Demokratie auf die Ex- DDR kein Neuanfang, sondern ein Rückfall. Das gilt um so mehr, als der Bedarf an Demokratie in diesen neuen Ländern ungleich höher ist. Der alte Staatsapparat kann ja nicht einfach „zerschlagen“ werden. Mit dieser Vorstellung konnten sich Kommunisten bestenfalls die Aufgabe einer proletarischen Revolution vorstellen. Vielmehr muß der Zentralismus durch Demokratisierung aufgelöst werden. Zudem geht es in den neuen Ländern nicht nur um Sanierung, Reorganisation und Finanzierung. Es findet eine Gesellschaftsumwälzung statt, bei der Grundsatzentscheidungen über Prioritäten und Zukunft getroffen werden müssen, Entscheidungen, die alle betreffen, weil das defizitäre Steueraufkommen und die Subventionen eben nicht nach dem Gieskannenprinzip verteilt werden können. Es ist leicht einzusehen, daß die in der ehemaligen Bundesrepublik gewohnte politische Willensbildung diesem Neuanfang nicht entspricht — zumal die Parteien sich noch keineswegs darauf berufen können, daß sie die Meinungen der Bevölkerung repräsentierten. Die neuen Bundesländer werden mit dem großen Projekt einer gesellschaftlichen und politischen Erneuerung nicht fertigwerden können ohne ein breites Engagement der Bevölkerung, ohne ein Politik der Politisierung. Dazu bedarf es der Instrumente, bedarf es plebiszitärer Interventionsmöglichkeiten. Gibt es solche Möglichkeiten nicht, wird der Prozeß der Apathie, jene vorauseilende und sehnsuchtsvolle Anpassung an den Westen, sich noch verschärfen. Klaus Hartung

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