KOMMENTAR: Keine Katastrophe
■ Die Gatt-Ministerrunde scheiterte an der Haltung der EG in der Agrarfrage
Die Gatt-Ministerrunde über eine „Liberalisierung des Welthandels“ ist an der Betonhaltung der EG in der Agrarfrage gescheitert. Die einzige Verhandlungsstrategie der Europäer war es, die Schuld für das gewollte Scheitern anderen zuzuschieben. Darüber können auch Haussmanns Forderungen nach mehr Flexibilität der EG nicht hinwegtäuschen. Ist das Scheitern der Gatt-Runde eine Katastrophe für den Welthandel, wie nun allenthalben behauptet wird?
Neben den USA und Kanada haben sich vor allem die stark vom Agrarexport abhängigen Staaten der Cairns-Gruppe (unter anderem Argentinien, Brasilien, Australien, Neuseeland) von einem Gatt-Abkommen verbesserte Zugänge auf den EG- Markt erhofft. Diese Staaten wollten mit dem baldigen Abschluß eines multilateralen Abkommens auch verhindern, daß ihre bisherigen Märkte in Osteuropa nun von der EG übernommen werden und sich Gesamteuropa im Zuge eines weltweit stattfindenden regionalen Protektionismus dann nach außen abschottet. Gerade deutsche Politker haben diese reale Interessenlage der EG in den letzten Tagen mit dem Hinweis zu kaschieren versucht, das Scheitern der Gatt-Verhandlungen habe auch negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa. Für die überwiegende Zahl der Länder außerhalb Westeuropas, Nordamerikas und Japans wäre ein Vertragspaket auf Basis des bis zum letzten Freitag erreichten Verhandlungsstandes eher nachteilig gewesen. Die Regelungen im Bereich Dienstleistungen etwa hätten zwar eine Öffnung der drei etwa gleich starken großen Märkte Nordamerika, EG und Japan untereinander bedeutet. Den Entwicklungsländern wäre ein Zugang jedoch nur erlaubt worden, wenn sie zugleich ihre noch völlig unterentwickelten Dienstleistungssektoren der erdrückenden Konkurrenz dieser drei Riesen geöffnet hätten. Die sich abzeichnenden Einigungen beim Schutze von Patenten und geistigem Eigentum entsprachen weitgehend den Wünschen der westlichen Industriestaaten. Hätten sich EG, USA und Cairns-Gruppe letzte Woche in der Frage der Agrarsubventionen verständigt, wäre dieses Vertragspaket den Dritte-Welt-Staaten nach dem Motto „Friß Vogel oder stirb!“ vorgesetzt worden. Ein Vertragspaket, durch das zwar die Spielräume multinationaler Konzerne erweitert, zugleich aber die Ausgrenzung der meisten Dritte-Welt-Staaten aus der Weltwirtschaft weiter beschleunigt worden wären. Andreas Zumach
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