: „Keine Kaninchenställe“
■ Senat will 7.000 Wohnungen bauen / Baureform soll 1989 beginnen / Eigentümer sollen zu „zügigem“ Bauen gebracht werden / Auch alternative Projekte möglich
Bausenator Nagel (SPD) hat die schrittweise Umstellung des 17jährigen Förderungssystems für den sozialen Wohnungsbau von Aufwendungshilfen und hoher Anschlußförderung auf öffentliche Baudarlehen angekündigt. Er sagte gestern, solche Darlehen seien kostengünstiger und belasteten spätere Generationen nicht mehr.
Die Reform werde bereits in diesem Jahr bei Neubauten städtischer und gemeinnütziger Gesellschaften und Genossenschaften beginnen. 500 Wohnungen sollen durch Baudarlehen gefördert werden. Dem alten CDU/FDP-Senat hielt Nagel vor, er habe bei der Realisierung öffentlich geförderter Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen den Ablauf zu wenig kontrolliert und dem Problem eines verspäteten Baubeginns und eines zu langsamen Bautempos zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Eigentümer sollten zu einem zügigen Bauablauf bewegt werden. In besonderen Fällen sei die Bewilligung der öffentlichen Mittel zurückzuziehen. Dann solle die „Instandsetzung und Wiederbelebung der Wohnungen“ nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz durchgesetzt werden. In künftigen Bewilligungsbescheiden der WBK wolle sich das Land Berlin die Möglichkeit vorbehalten, „bei nicht korrekter Vorgehensweise der Eigentümer die Baumaßnahme gegebenenfalls selbst durchführen zu lassen“.
Zur Schaffung preiswerten Wohnraums dürfen keine Grundstücke mehr veräußert werden, die sich in Sanierungsgebieten im Eigentum städtischer bzw. gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften/Sanierungsträger befinden. Nagel gab bekannt, daß ein „Beauftragter für Initiativen aus der Bevölkerung zur Verbesserung der Wohn und Lebensverhältnisse“ Vorschläge aufgreifen und mit den Fachleuten ihre Verwirklichung „prüfen und begleiten“ solle. Dabei sollten auch alternative Projekte ernsthaft verfolgt werden, jedoch nicht bevorzugt auf Kosten normaler Wohnungssuchender.
Für 1989 stellte Nagel 7.000 Wohnungen in Aussicht. Dem in der Stadt bestehenden Bedarf werde man auf diese Weise nicht gerecht, räumte der Senator ein. Das Kernproblem bestehe aber nicht in der Finanzierung, sondern der Akquirierung von Flächen. Klar sei auch, daß man „nicht mehr Kaninchenställe übereinander stapeln“ könne.
Hinter dem Flächenproblem stehe die Frage, wieviele Menschen die Stadt vertrage, sagte Nagel unter bezug auf den Aussiedlerzustrom. Dies werde man diskutieren müssen. Zu überlegen sei, ob man alle Flächenansprüche, die z.B. mit Kindertagesstätten und Bädern verbunden seien, mit den neuen Anforderungen im Wohnungsbau noch unter einen Hut bringen könne.
Die bisher im Wohnungsbauprogramm vorgesehenen 6.500 Wohnungen würden durch einen Nachtragshaushalt um 500 ausschließlich im sozialen Wohnungsbau zu errichtende Wohnungen aufgestockt. Der zusätzliche Finanzbedarf betrage 100 Millionen DM in den ersten 15 Jahren und weitere 95 Millionen DM bei einer Anschlußförderung für weitere 15 Jahre.
dpa
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