■ Kommentar: Keine Gewalt, nirgends.
Puh, das war knapp! Beinahe schien es, als würde der diesjährige 1. Mai samt Vorfeld ähnlich langweilig und ritualisiert vonstatten gehen wie der letzte. Ein bißchen Walpurgisrevival am 30. April mit ein bißchen Straßenschlacht im Anschluß; zwei Demos am 1. Mai, die eine mehr, die andere weniger revolutionär, und ein bißchen Wasserwerfer zum Abschluß...
Nun aber: ein bißchen Frieden – gestiftet von der Jungen Union. Wunderbare, nie gesehene Ereignisse stehen uns bevor. Man stelle sich nur vor, die Junge Union gewänne Lummer, Schönbohm, Landowsky oder aber einen der Bürgerechtskonvertiten als Redner. Wahrhaft politische Parolen würden in unseren Ohren klingen: „Keine Gewalt durch Ratten und Gesindel“ oder – in der Bürgerrechtsvariante – „Keine Gewalt durch die PDS-Seilschaften“. Um die 50köpfige Demonstrantengruppe herum stünde unter Führung der Bohley-Birthler-Connection eine 100köpfige Menge Noch-immer-Bürgerrechtler, mit dem einzigen Ziel, die Demo vor linken Übergriffen zu schützen („Keine Gewalt gegen die CDU!“). Die Noch-Bürgerrechtler wiederum würden von 500 Polizisten eingekesselt und vor einer aufgebrachten Menschenmenge beschützt, die wiederum nicht einsehen möchte, daß ausgerechnet die Noch-Bürgerrechtler den Alt- und Neu-CDUlern den Rücken freihalten.
Was für ein Bild! Falls sich tatsächlich die Bedenkenträgerschaft im Rathaus Prenzlauer Berg durchsetzt und die Junge Union davon abbringt, gegen Gewalt zu demonstrieren, muß die Demo notfalls von anderer Seite organisiert werden. Wo gab es das schließlich schon: einen multipolitischen Mehrfach- Demo-Kessel mitten auf dem Kollwitzplatz. Uwe Rada
Siehe Seite 22
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