: Keine Einigung in Sachen Wahltermin Erfolgloses Bonner Elefantentreffen
■ Beim Gipfeltreffen zwischen Kohl und Lafontaine blieb es beim Nein der SPD zu Wahlen im Oktober / Rhetorische und taktische Schlacht um den gesamtdeutschen Wahltermin geht unverändert weiter
Bonn/Berlin (afp/dpa/taz) - Regierung und SPD-Opposition in Bonn bleiben auch nach dem gestrigen Treffen zwischen Kohl und Lafontaine in der Frage vorgezogener gesamtdeutscher Wahlen weiter zerstritten. In Ost-Berlin spielt sich der Konflikt innerhalb der Regierung ab. Zwar beschlossen die DDR-Sozialdemokraten gestern, weiter im Kabinett deMaiziere zu bleiben, doch eine Zustimmung zur Oktober-Wahl soll es nicht geben. Die SPD strebt aber einen Beitritt der DDR bis zum 15. September an. Unklar blieb, ob die SPD ihren Beitrittsantrag bereits auf der heutigen Volkskammersitzung einbringen wird.
Kanzler Kohl erklärte nach der einstündigen Unterredung mit SPD-Chef Hans-Jochen Vogel und Kanzlerkandidat Lafontaine vor der Presse in Bonn, es habe „keine Übereinstimmung“ erzielt werden können. Dagegen gebe es „völlige Übereinstimmung“ in der Frage, daß der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik möglichst bald vollzogen werden sollte. Kohl unterstrich dagegen nochmals, daß die Bonner Koalitionsparteien den von DDR-Ministerpräsident Lothar deMaiziere vorgeschlagenen Wahltermin am 14. Oktober voll unterstützten. Er machte klar, daß er bei der Volkskammersitzung am Mittwoch keine Zweidrittelmehrheit für einen SPD-Vorstoß für einen Beitritt zum 15. September und für Wahlen Anfang Dezember erwartet.
Kohl lehnte erneut eine absichtlich verlorene Vertrauensfrage als Weg zu vorgezogenen gesamtdeutschen Wahlen ab. Einen frühen Wahltermin bezeichnete er als ein „Gebot der Veranwortung in einer außergewöhnlichen historischen Situation“. Der Kanzler bedauerte, daß die SPD es nicht als zwingend und als notwendig ansehe, Wahltermin und Beitritt der DDR zusammenzufassen.
SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine schloß einen Kompromiß in der Frage des Wahltermins erneut aus. Mit der SPD sei eine Änderung des Grundgesetzes nicht zu machen, bekräftigte er vor Journalisten. Auch wenn am Mittwoch die Mehrheit in der DDR-Volkskammer Wahlen am 14. Oktober fordern sollte, ändere dies an der Haltung der SPD nichts. Stattdessen sprach sich auch Lafontaine für einen Beitritt der DDR zum 15. September aus. Nicht der Zeitpunkt der Wahlen sei entscheidend, sondern der Beitrittstermin. Der Bundeskanzler solle sich so früh wie möglich seiner Verantwortung für die Lage in der DDR stellen.
Die Bundesregierung habe trotz der Bitten der SPD keine Vorschläge für Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise in der DDR auf den Tisch gelegt, sagte der saarländische Ministerpräsident. Allein durch schnellere Wahlen werde es in der DDR aber nicht aufwärts gehen. Die DDR-Bevölkerung sei „oft genug angeschmiert worden“, betonte Lafontaine. Bonn müsse jetzt endlich sagen, was die Einheit kostet. Mit jedem Schritt sei den DDR-Bürgern versprochen worden, jetzt werde es ihnen besser gehen.
Die DDR-SPD, die ihre ablehnende Haltung gegen die vorgezogenen Wahlen bereits am Montag auf einem Treffen mit der bundesdeutschen SPD abgestimmt hatte, begründete gestern nach einer Fraktionssitzung ihren Verbleib in der Regierung. Die Verhandlungen zum Einheitsvertrag machten, so Parteichef Thierse, die weitere Beteiligung der SPD notwendig. Wesentliche Punkte wie die Länderfinanzierung und die Eigentumsfrage seien ungelöst. Erst wenn der Einigungsvertrag vorliege, sei die Aufgabe der Koalition erfüllt.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Volkskammer, Richard Schröder, betonte, daß seine Fraktion bei der morgigen Parlamentssitzung einem sofortigen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik „auf keinen Fall“ zustimmen werde. Denkbar sei jedoch, bereits jetzt einen Beitritt zu einem späteren Zeitpunkt zu beschließen. Thierse sagte, er sei gespannt, ob ein Antrag auf sofortigen Beitritt wirklich dem Parlament vorliegen werde. Sollte das der Fall sein, müßte die CDU ihn eigentlich gemeinsam mit der SPD ablehnen, da auch sie immer erklärt habe, über die Beitrittsbedingungen verhandeln zu wollen.
Das Präsidium der DDR-CDU hat sich am Dienstag vormittag erwartungsgemäß für den 14. Oktober als Termin für gesamtdeutsche Wahlen und den Beitritt der DDR zum Grundgesetz ausgesprochen. „Wahl und Beitritt gehören zusammen“, sagte Parteisprecher Helmut Lück im Anschluß an die Präsidiumssitzung in Ost-Berlin. Die CDU-Fraktion werde bei der Sitzung am Mittwoch einen entsprechenden Antrag in die Volkskammer einbringen. Das Präsidium gehe davon aus, daß bis zum 14. Oktober der Einigungsvertrag mit Bonn verhandelt und ratifiziert sowie der 2+4-Prozeß über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Vereinigung abgeschlossen sei. Der CSU-Vorsitzende, Bundesfinanzminister Theo Waigel, wie auch FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff stellten sich hinter die Forderung, die erste gesamtdeutsche Wahl möglichst zeitgleich mit dem Beitritt der DDR zu vollziehen. Wahltermin: Oktober. Kohl betonte, er halte die Tendenz, die beiden Termine zu trennen, im Interesse der Menschen für schädlich. Waigel warf den Sozialdemokraten eine „negative Verweigerungshaltung“ vor. Die Strategie der SPD sei es, die Regierung handeln zu lassen, während sie ihren Wahlkampf fortsetze. Der CSU-Politiker kritisierte, die SPD entwerfe von der Lage in der DDR ein „Horrorszenario“.
Unterstützung für ihre Haltung in der Wahlterminfrage und die Weigerung, eine Grundgesetzänderung mitzutragen, erhielten die Sozialdemokraten hingegen von den Grünen. Zu weit wollten es jedoch Fraktionssprecherin Antje Vollmer und der Volkskammerabgeordnete Jens Reich mit dem Lob nicht treiben. Ihre Wertung des Wahlrechtskompromisses der Großparteien lautet weiterhin: „Kuhhandel“.
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