: Kein richtiges Motto zum Feiern -betr.: "Gymnasium wurde zum Rotlichtviertel", taz-Bremen vom 21.4.1998
Seit langem gab es an dieser Schule keine Nulltagefeier mehr, die in so harmonischem Einklang mit der Schulleitung stattfand. Der Direktor ließ sich auf der Bühne feiern, nachdem er ein Lied der „Gypsi Kings“rezitiert hatte. Und der Oberstufenkoordinator, ein Mathelehrer Ende 50, der noch vor einigen Tagen ein paar der gleichen SchülerInnen mit seiner notengeberischen Macht gekitzelt hatte, erheiterte sein Publikum nun mit einem kleinen Strip.
Völlig fern lag jegliche Kritik an dieser Form zu feiern. Es kann von einer Nulltagefeier nicht erwartet werden, daß sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit einem Thema führt. Aber es kann von der althumanistischen Elite dieser Stadt erwartet werden, daß sie einen Bereich unserer Gesellschaft, der sich Menschenrechtsverletzungen zum Prinzip gemacht hat, nicht als Motto zum Feiern mißbraucht. Prostitution, entweder geächtet oder wie hier romantisiert, ist keine Randerscheinung dieser Gesellschaft, sondern die bürgerliche Sexualmoral in ihrer letzten Konsequenz. Prostituierte und Freier, die sich anbieten, sich erniedrigen und sich ermächtigen, sind allgemeine Strukturen der hier üblichen Paarbeziehungen. Diese Art der Sexualität dient nicht der Befriedigung, sondern führt zur Entmenschlichung. Doch das kam nicht zur Sprache. Während das Alte Gymnasium glaubt, sich in fortschrittlich liberaler Manier der Sexualität zu öffnen, bedeutet diese Show nur ein Verharren in uralten Tabus. SchülerInnen des AG,
Namen der Reaktion bekannt
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