: Kein muslimischer Staat
■ betr.: „Zwangspässe für Bosnier“, taz vom 21.12.93
In dem Artikel wurde überhaupt nicht darauf eingegangen, daß der bosnische Staat eben kein muslimischer Staat ist, sondern im Gegenteil alle ethnischen Gruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien gleichberechtigt vereint. Bosnien ist ein international anerkannter Staat und verfügt über eine noch vor Kriegsausbruch demokratisch gewählte Regierung. Wenn man versucht, aus der Staatszugehörigkeit zu Bosnien eine Entscheidung für eine bestimmte ethnische Gruppe zu konstruieren, unterstützt man genau die Kräfte, die in Bezug auf den Krieg in Bosnien von Bürgerkrieg und der Gefahr des islamischen Fundamentalismus sprechen, somit also die serbische Kriegspropaganda und die internationalen Versuche, unsere politische Teilnahmslosigkeit zu rechtfertigen. Es wird auch völlig übersehen, daß gerade für jemanden, der sich nicht als Mitglied einer bestimmten ethnischen Gruppe empfindet, die Entscheidung zur Staatsangehörigkeit eines der neuen Staaten auf vormals jugoslawischem Gebiet auch eine Entscheidung gegen die Polarisierung dieser ethnischen Gruppen in dem jeweiligen Staat bedeutet.
Das Jugoslawien von vor 1991 gibt es nicht mehr und einen Staat in dieser Form wird es sobald wohl auch nicht geben. Daher sollte dringend angestrebt werden, in den Staaten, die es jetzt gibt, die integrative Idee des „Vielvölkerstaates“ zu realisieren. Eine andere Möglichkeit gibt es zur Zeit nicht. Der Versuch, nicht mehr existierende Staaten wiederzubeleben, hat bisher nie auch nur ansatzweise sinnvolle Resultate zur Folge gehabt.
[...] Im übrigen hättet Ihr auf den unhaltbaren Umstand hinweisen können, daß die Menschen vor der Ausländerbehörde ab 23 Uhr im Freien warten, um am nächsten Tag in der Behörde einen „Termin“ zu bekommen. Wer erst um zwei Uhr morgens kommt, ist schon zu spät. Das in dem Artikel erwähnte Flugblatt wurde um drei Uhr verteilt. Veit Döhler, Hamburg
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