: Kein dorisches Konzerthaus
■ Philharmonie-Förderverein plant subventionsfreies „Musicon“ auf der Bürgerweide
Haben Sie am 9.9.1999 schon etwas vor? Um 19 Uhr gibt es einen Sektempfang, um 20 Uhr dann ein großes philharmonisches Konzert. Wo? Im Bremer Musicon, Bremens neuem, großem Konzerthaus, das dann – gerade noch rechtzeitig zur Expo 2000 – Eröffnung feiert. Soviel steht fest – wenn es nach dem Förderkreis Neue Philharmonie Bremen e.V. geht. Seit gut anderthalb Jahren schwirrt diesem ein großes Philharmonie-Gebäude in den Köpfen. Und das hat nicht nur bereits gebefreudige Gönner zu knapp zwei-Millionen-Mark-schwerer Begeisterung hinreißen können, sondern zudem noch zwei renommierte Kulturmanager zu einer Wirtschaftlichkeitsstudie bewogen, die schwarz auf weiß nun das Wunder verkündet, daß das Projekt gar subventionslos wahr gemacht werden kann.
Vorausgesetzt, es darf dort entstehen, wo es am sinnfälligsten ist: 2.500 Plätze soll das neue Konzerthaus haben, und da wollen die Konzertmacher zu 50 Prozent Leute aus dem „weiten Bremer Umland, ja dem ganzen norddeutschen Raum anlocken“, wie Fördervereinsvorsitzender und Sparkassenvorstandsmitglied Friedrich Rebers gestern formulierte. Damit war dann auch gleich das Stichwort Verkehrslage gefallen, und der Verein verkündete, daß er nach Weser und Wall dem Konzerthaus jetzt den Standort Bürgerweide auserkoren habe. Dort winken nämlich Bahnhofsnähe und Parkplätze, und zwischen dem geplanten Klangbogen und der Gustav-Deetjen-Allee würde sich der neue Bau auf seinen 60 mal 60 Metern angepeilter Grundfläche („in etwa ein halbes Fußballfeld“, so Vereinsbeisitzer und Gewoba-Geschäftsführer Eberhard Kulenkampff) gut ausmachen.
Kulenkampff hatte dazu denn auch gleich noch das Argument parat, daß der Klangbogen auf der Bürgerweide ja durch andere attraktive Dinge begleitet werden müsse und nicht in die kahle Gegend führen dürfe. „Das würde klanglich passen“, kommentierte Pressesprecherin Lilo Russ aus der Wirtschaftsbehörde spontan. Offiziell hat sie jedoch von der neuen Standortidee des Fördervereins noch nichts erfahren, der weder Senat noch Bürgerschaft bislang von seinem Konzept in Kenntnis gesetzt hat. Pressesprecherin Russ: „Wir sind dabei, bis Ende Juni ein endgültiges Gesamtkonzept für die Bürgerweide zu entwickeln. Und der Förderverein gehört dann ganz sicher auch zu unseren Gesprächspartnern; wir sind ja an allem interessiert, von dem eine Steigerung der Wirtschaftsförderung ausgeht.“ Daß jedoch das Konzerthaus auf dem ausgemachten Standort mit den Freimarkt-Schaustellern in Zwist geraten wird, stehe außer Frage. Und ob diese von den zugesagten 100.000 qm Nutzfläche zurückgehen werden, bleibt offen. „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, uns mit den Schaustellern querzulegen.“
Einstweilen feilt der Förderverein schon mal weiter am allgemeinen Nutzungswert seiner Philharmonie. Längst heißt sie Musicon Bremen – Das Konzerthaus des Nordens, das kein konservatives Konzerthaus im dorischen Stil werden darf. Nein, ein „Haus für alle, für alle Schichten wie für die Jugend“ soll es sein, und da macht dann das klassische Konzertprogramm nur noch einen Teil der Veranstaltungen aus. Hinzu kommen Operette, Ballett, Musical, Popkonzerte, Versammlungen. Ein Stadthaus nach Art des Münchner Gasteigs könnte es werden, man gibt sich zu vielem bereit und hätte ganz gerne auch Gastronomie, Läden und vielleicht Teile der Spielbank mit im Gebäude.
Rund ein Drittel der 60 bis 70 Millionen Investitionskosten sollen nämlich über Erträge erwirtschaftet werden. Also auch über bezahlende KonzertbesucherInnen, die man mit internationalen Orchestern und diese wiederum mit exzellenter Architektur und bombastischer Akustik anziehen möchte. Da fällt es wieder, das Zauberwort des unendlichen „Bedarfsweckungseffektes“, der bei mehr Angebot immer noch mehr Nachfrage bewirkt. Dann ist überhaupt auch das Bremer Musical-Projekt schon nicht mehr Konkurrenz für den Förderverein, sondern Ergänzung, und Herr Sewig von der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft sieht sowieso eigentlich keine eventuellen Rivalitäten zum Stadthallenprogramm. Als nächste Tat des Fördervereins folgt nun die Ausschreibung eines internationalen Architektenwettbewerbs bis Herbst 94. Silvia Plahl
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