■ Die Bahn AG vernichtet weniger Arbeitsplätze als erwartet: Kein Unternehmen Zukunft
Ob die Deutsche Bahn AG im Jahr 2010 200.000 oder gar nur 130.000 Eisenbahner beschäftigt – fest steht schon heute, daß von einst gesamtdeutsch rund einer halben Million Bahnarbeitsplätzen am Ende bloß ein Bruchteil übrigbleiben wird. Das „Unternehmen Zukunft“ entpuppt sich als die größte Arbeitsplatzvernichtungsmaschine des neuen Deutschland. Die gestern erzielte Übereinkunft zwischen Gewerkschaften, Bahn AG und Verkehrsminister enthält zwar einige Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Kahlschlagplänen, insbesondere in Sachen Flexibilisierung und Überstundenabbau, vom grundsätzlich verkehrten Weg der Arbeitsplatzvernichtung im Schienenverkehr wird jedoch nicht abgewichen.
Betriebswirtschaftlich erscheint dies auf den ersten Blick nur allzu verständlich: Tatsächlich hat auch die heutige Bahn – immerhin fast 200.000 Arbeitsplätze schlanker als noch vor 10 Jahren – noch jede Menge unproduktiver Bereiche, vor allem auch durch den technologischen Rückstand, den sie gegenüber ihren europäischen Nachbarn aufweist. Beim Ersatz eines mechanischen durch ein elektronisches Stellwerk werden jeweils 100 Arbeitsplätze überflüssig; die anstehende Einführung von automatischen Mittelpufferkupplungen wird einige tausend Rangierarbeiter um ihren Job bringen. Ähnliches gilt für die Fahrzeugwartung und die Streckenwartung, wo modulare Bauweise und verschleißarme Trassenkonzeptionen den Bedarf an menschlicher Instandhaltungsarbeit drastisch drücken werden. Um den Verlust dieser oft schweren und stupiden Arbeit ist es nicht schade.
Und dennoch: Die Bahn denkt zwar fleißig über überflüssige Arbeit nach, über neue Aufgabenfelder und neue Arbeitsplätze jedoch viel zuwenig. Wenn es Politik und Bahn mit der Parole vom Vorrang für die Schiene ernst ist, dann gehört dazu auch eine expandierende Bahn AG. Statt dessen geht der Marktanteil der Bahn in allen Verkehrssegmenten weiter zurück, am drastischsten im Güterverkehr. Am meisten helfen würden der Bahn sicherlich Energiesteuern, Benzinpreiserhöhungen und Konzepte gegen den LKW- Güterverkehr – alles Voraussetzungen für die überfällige Verkehrswende. Aber auch aus eigener Kraft könnten bis zu 100.000 neue Bahnarbeitsplätze entstehen, wie jüngst ein Gutachten des Verkehrsconsulters SCI belegte. Wichtigste Voraussetzung: Die Bahn müßte auf eine agressive Expansionsstrategie umschalten und mit neuen Produkten und Dienstleistungen den Kampf gegen PKW und LKW aufnehmen. Florian Marten
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