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Kein Termin 2021Moskau

Reiseleitung: Bernhard Clasen in Kooperation mit Klaus-Helge Donath

Treffen mit Bürgerrechtsgruppen und Ausflug nach Peredelkino

Wer Moskau seit zwei oder drei Jahrzehnten nicht besucht hat, wird die Stadt nicht wiedererkennen. Riesige neue architektonische Bauten, wie „Moskwa City“, prägen das moderne Moskau mehr als die Klöster aus der Zarenzeit oder auch der Rote Platz. Weniger sichtbar, aber bei verschiedenen Anlässen bemerkbar ist  eine kleine, aber aktive Zivilgesellschaft - trotz Rollback in den letzten Jahren.

Auch wenn die Zivilgesellschaft vieles von der Aufbruchstimmung der „Perestroika-Jahre“ von Michail Gorbatschow hinter sich hat lassen müssen: wegzudenken aus dem gesellschaftlichen Leben der Metropole ist sie auch heute nicht.

Anti-Atom-Gruppen, Menschenrechts- organisationen, die unabhängige Zeitung „Nowaja Gaseta“, „Greenpeace“ oder auch das alternative Kulturzentrum „Winsawod“ bilden eine lebendige Gegenstruktur zu staatlich gelenktem Fernsehen und dem weitgehend gleichgeschalteten Parlament.

Wer sich kurz in der Hauptstadt aufhält, könnte glauben, in einen ewigen Karneval geraten zu sein. Eine „Bella figura“ macht Moskau nicht erst, seit der Rubel wieder rollt. Den Superlativ pflegt die Hauptstadt von alters her. Sie beherbergt die größte Kanone und die gewaltigste Glocke der Welt.

Die Kanone hat nie Pulver gesehen, die Glocke nie geläutet. Doch ist das von Belang? Was zählt, sind die Gesten, der Wille, Undenkbarem Gestalt zu verleihen. Die Stadt war immer Schaufenster dessen, was der russische Geist an Ideen ersann, oftmals Geniales, in jedem Fall aber Ambitioniertes.

Moskau ist keine Stadt aus einem Guss, sie verfügt über kein leicht einprägsames und wiedererkennbares historisches Stadtbild wie andere europäische Hauptstädte. Dennoch steht die Stadt anderen Metropolen in der Vielzahl herausragender Gebäude in nichts nach. Sie müssen meist nur wieder entdeckt werden.

Die Bauten aus der kommunistischen Periode fallen auch heute noch ins Auge, sind im Bewusstsein der Bewohner tief verankert. Vor allem die sieben Hochhäuser der Stalinära. Die „sieben Schwestern“, wie sie im Volksmund heißen, sind aus der Skyline der Stadt ebensowenig wegzudenken, wie die teilweise noch im Bau befindlichen architektonische Experimente der jüngsten Zeit.

Doch Europa verliert im Stadtbild immer mehr als Vorbild an Bedeutung. In 20 Jahren wird sich Moskau nicht an Berlin, Wien oder Paris messen. Die asiatischen Metropolen Shanghai, Seoul oder Singapur, aber auch Kuwait City, dienen als Orientierungspunkte.

Ein Tag der Reise ist einer Rundfahrt durch die Architekturgeschichte Moskaus gewidmet, u. a. Bauten der nachrevolutionären Avantgarde. Und jeden Tag durchqueren wir die Stadt, um uns mit Akteuren der Zivilgesellschaft bzw. alternativer Projekte zu treffen. Aber auch das internationale Handelszentrum Moscow City, das eher wie Dubai anmutet, werden wir besuchen, mit einem Fahrstuhl Dutzende von Etagen in Sekundenschnelle hinter uns lassen Und hier findet sich der größte Wolkenkratzer Europas.

Trotz Rollback: Moskaus Zivilgesellschaft lebt

Auch wenn die russische Regierung viele der unter Gorbatschow gewährten Errungenschaften rückgängig gemacht, repressive Gesetze immer mehr an die Sowjetunion erinnen, viele Akteure alternativer Vorstellungen zu „ausländischen Agenten“ brandmarkt, gibt die kleine, aber sehr lebendige Gemeinschaft von Menschenrechtlern, unabhängigen Journalisten, Umweltschützern und Oppositionspolitikern nicht auf.

In zahlreichen Gesprächen und Besuchen werden wir auch das „andere Moskau“ kennenlernen. Russlands älteste Menschenrechtsorganisation „Memorial“ steht ebenso auf dem Programm stehen, wie Atomkraftgegner, Greenpeace Russland, die Flüchtlingsinitiative „Komitee Bürgerbeteiligung“, Amnesty International und die kritische Zeitung „Nowaja Gaseta“.

Ein Ausflug in die vor Moskau liegende Datschensiedlung Peredelkino zeigt auch ein wenig vom Leben außerhalb der Großstadt. Peredelkino ist vor allem als Künstlerdorf bekannt, hier lebten so namhafte Schriftsteller wie Boris Pasternak, Ilja Ehrenburg und der Liedermacher Bulat Okudschawa. Viele dieser Datschen sind heute als literarische Museen eingerichtet.

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