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Kein »Systemausfall« bei DT64

■ Der Jugendsender möchte privatisiert werden/ Jetzt eigene LP vorgestellt

Berlin. Er darf sich unbestritten Deutschlands bekanntester Jugendsender nennen: DT64 aus dem Berliner Funkhaus im Ostteil der Stadt. Musik und Informationen rund um die Uhr auf 18 Frequenzen in bester Stereoqualität sind in allen Teilen Ostdeutschlands zu empfangen. Totgesagte leben länger, heißt es, und wie zum Beweis erscheinen in diesen Tagen gerade wieder Meldungen über ein bevorstehendes jähes Ende des Senders, der in kein Schema zu passen scheint.

Unbeschwert von — durchaus berechtigten — Alltagssorgen stellt die DT64-Mannschaft gerade ihre erste eigene Langspielplatte mit dem beziehungsreichen Titel Systemausfall vor. Eingeleitet wird der Sampler von jener kurzen Meldung, die in die deutsche Rundfunkgeschichte einging: Hörfunkintendant Christoph Singelnstein teilte am 7. September 1990 um 19.58 Uhr den Hörern mit, daß zwei Drittel der nationalen Frequenzen von DT64 an den RIAS Berlin gehen.

Die Motive des Frequenzcoups waren aus heutiger Sicht durchaus ehrenwert. Denn: Singelnstein suchte nach Wegen für eine Perspektive des Jugendsenders, doch die ablehnenden Reaktionen übertrafen noch alle Erwartungen. Einen Tag lang herrschte im Funkhaus in der Ostberliner Nalepastraße der Ausnahmezustand. Im ganzen Land protestierten Tausende Hörer mit Briefen, Anrufen und sogar Demonstrationen gegen die Abschaltung ihres Senders. In stundenlangen Krisensitzungen wurde nach Auswegen gesucht, die schließlich in die Rücknahme der Maßnahme mündeten.

Seither ist DT64 zum Inbegriff der Schwierigkeiten bei der Neuordnung der gesamtdeutschen Rundfunklandschaft geworden. Wie alle anderen Sender hat auch der Jugendfunk Federn lassen müssen, ist die Kernmannschaft auf zwei Drittel der früheren Sollstärke geschrumpft. Doch Chefredakteur Michael Schiewack und sein Marketingchef Lutz Bertram wissen nun auch, wo ihre Überlebenschancen liegen.

»Wir werden unser Heil als Privatsender suchen«, meint Bertram zuversichtlich. Die nationalen Frequenzen werden nicht zu halten sein, aber Reichweiten von Sachsen-Anhalt bis Brandenburg würden dem Berliner Sender die wirtschaftliche Basis garantieren. Selbst der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl, eigentlich zuständig für eine rigorose »Abwicklung« der ostdeutschen Hörfunk- und Fernsehlandschaft, blickt auf die Pläne der Jugendfunker mit einigem Wohlwollen. Und Chefredakteur Schiewack weiß, daß mit dem unkonventionellen Programm eine öffentlich-rechtliche Zukunft kaum vorstellbar ist. »Wir würden wahrscheinlich schon mit der Zeitansage anecken.« Hannes Bahrmann/dpa

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