piwik no script img

„Kein Scherbengericht“

■ Treuhandausschuß im Bundestag eingesetzt / Otto Schily Vorsitzender

Bonn (dpa) – Der Bundestag hat gestern auf Antrag der SPD einen Untersuchungsausschuß zur Arbeit der Treuhandanstalt eingesetzt. Er soll klären, ob durch Maßnahmen oder Unterlassungen der Bundesregierung und der Treuhand überlebensfähige ostdeutsche Betriebe geschlossen und Arbeitsplätze vernichtet worden sind. CDU/CSU und FDP übten harte Kritik an dem Ausschuß, den sie aber nicht verhindern konnten. Nach Artikel 44 Grundgesetz reicht für die Einsetzung die Unterstützung von einem Viertel der Abgeordneten des Bundestags. Auf eine förmliche Abstimmung wurde verzichtet. Auch PDS und Bündnis 90/Die Grünen waren für die Einsetzung.

Der Ausschuß mit 13 ordentlichen Mitgliedern und je einem weiteren Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und PDS tagte noch am selben Tag erstmals. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Otto Schily wurde zum Vorsitzenden gewählt, Gerhard Friedrich (CSU) zu seinem Stellvertreter. Die eigentliche Ausschußarbeit soll am 21. Oktober beginnen. Der Ausschuß darf wie ein Gericht Zeugen vernehmen.

Der Untersuchungsausschuß werde „kein Scherbengericht über die Treuhandanstalt“ werden, sagte Schily. Öffentliche Kritik könne auch entkräftet werden. Das sei auch eine Chance für die Treuhand.

Der stellvertretende SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Thierse erklärte, es gehe vor allem um die Verantwortung der Bundesregierung. Es müsse geklärt werden, ob auf Kosten der Ostdeutschen gemauschelt worden sei.

Die Treuhand sei die mächtigste Organisation in den neuen Ländern. Vielen Menschen erscheine sie als übermächtig und als Ursache eigener Arbeitslosigkeit. Ihre Entscheidungen wirkten wie Schicksalsschläge.

CDU/CSU und FDP nannten den Ausschuß unnötig und schädlich für den weiteren Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft. Investoren würden abgeschreckt. Sie verwiesen wiederholt darauf, daß auch Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe dagegen sei. Der SPD gehe es nicht um die Sache, den schnellen Aufbau im Osten, sondern um parteitaktische Scharmützel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen