: Kein Salz auf unserer Haut Von Michaela Schießl
Bis auf die verwegenen Bacardi- Trinker und Bounty-Freaks haben es mittlerweile alle begriffen: Strandurlaub ist mindestens so out wie der Hautkrebs, den man sich dabei holt. Vorbei das gemütliche Relaxen in der Hängematte, verabschieden muß man sich vom wohligen Bauchfleisch-Grillen auf der Luftmatratze, der lasziv vorgetragene Satz: „Fahr' ich nach Thailand oder auf die Malediven?“ führt zum sofortigen Ausschluß aus der Hip-Szene für mindestens einen Sommer. Activity and body and soul ist der Urlaubsgott im Ozonzeitalter. Was, um Himmels willen, nicht verwechselt werden darf mit dem peinlichen Animations-Ringelpietz à la Robinson und Mediterrane-Verein. Activity muß abgefahren sein, eine echte challenge, ziemlich exotisch — und möglichst pauschal zu erstehen. Die Reisebranche spurt artig, und schon müssen die hochglänzenden Neckermann-Kataloge alternativen Recycling-Reisebroschüren weichen, die ganzheitliche Urlaubsreinigung auf die sanfte Tour versprechen. Nur wenn's unbedingt sein muß, wird auch zu schärferen Mitteln gegriffen: „Operationsferien auf Kuba“, heißt das schneidige Urlaubsunternehmen. Entgegen aller Meldungen von heftigen Versorgungsengpässen auf der Insel der Sozialisten, beschwört der bayerische Reiseveranstalter den „unwidersprochener Vorteil des hohen Stands kubanischer Medizin“. Schmerzt das Auge wg. Retinis Pigmentosa? Haben Sie Freund Parkinson im Gepäck? Oder eine kleine Lähmung? Kein Problem im Castro-Club der scharfen Messer. Wer es sanfter will, muß dagegen zu Franz. Im katholischen Franziskaner-Kloster Assissi gibt's zum Sonderpreis „universelle Kräfte durch Tai Chi“. Kundalini- Yoga wird in den französischen Alpen gelehrt und Taro mit Yoga-, Steinmetz- und Stretching-Kursen auf der Griechen-Insel Korfu. Für politisch angehauchte Aktiv-Urlauberinnen hat die Reiseveranstalterin „Schwarze Hecke“ genau das Richtige im Angebot: „Rituelle Frauentänze in der Toscana“, allerdings nur zur Sommersonnenwende: „Bäume und Pflanzen werden zu Schwestern, die betanzt werden.“
Der Rest der „earth family“ trifft sich in Schwitzhütten zum Ekstase-Tanz, um sich endlich mit „Gaia, dem Kollektivbewußtsein des Planeten“ gegen die Umwelt- und Innenweltzerstörung zu verbinden.
Keine neuen Verwandten, aber „tiefe, beglückende, befreiende Erfahrung“ versprechen die Tantra-Kurse an der Costa Brava. Und wer seine Ahnen sucht, mache sich auf die Spuren König Arthurs. In Südengland kann der „verborgene Geist der Orte entdeckt und erfahren werden“, heißt es in der Ankündigung des Arbeitskreises Geobiologie Ostwestfalen. „In Glastonbury werden Fee Morgaine, die Priesterinnen vom See und die Mönche jenseits der Nebel wieder lebendig.“
Die Wiederauferstehung hat ihren Preis: 2.200 Mark kostet der Trip nach Avalon, um an König Arthurs Tafel zu schlemmen. Der Rituelle Tanz für Frauen in der Toscana ist für 950 Mark zu haben, das „Tao des Tanzes“ auf Korfu für 1.880 Mark. Selbst den Ärmeren bleibt die Erleuchtung nicht verwehrt: Das Himalaya-Institut bietet kostengünstiges Italo-Yoga, zum gymnastischen Tagessatz von 135 Mark.
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