piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Polit-Autor

Moritz Rinke versucht sich in den „Optimisten“ am Thalia in der Gaußstraße keine vergebens im Genre „Gesellschaftskritik“

von Caroline Mansfeld

Optimismus konnte das Thalia Theater am Wochenende nach der geplatzten „Jungfrau“-Premiere gebrauchen. Dafür ging einen Tag später die Premiere von Moritz Rinkes „Die Optimisten“ in der Regie von Hartmut Wickert im Thalia in der Gaußstraße planmäßig über die Bühne. Keiner der Bambusstäbe, die Thomas Dreißigacker links und rechts der Hotelszenerie mit südostasiatischen Fauteuils aufgehängt hatte, kam herunter.

Optimismus war allerdings auch angesichts des Treibens auf der Bühne angebracht. Und wohl in Teilen des Publikums vorhanden. Denn es ist schon am Rande der Zumutung, was der Zuschauer da an Dialogen der Reisegruppe Bildungsreisender mit einer gehörigen Portion guten Willens zur Weltverbesserung in einem Hotel im nepalesischen Lumbini serviert bekommt.

Für die vier Männer und drei Frauen gilt es eine Petition bei einer Globalisierungskonferenz in Bombay an die Adresse zu bekommen, bevor es an den Strand von Goa geht. Doch so weit kommt es gar nicht erst. Der Bus ist liegen geblieben, der Busfahrer verschwunden. Das Hotel verwaist. Eine Kiste Waffen wartet im Entree. Die Salonaktivisten werden von der Wirklichkeit des Neoliberalismus und Turbokapitalismus eingeholt. Sie haben zwar ihren Marcuse und Marx gelesen, können über die Ungerechtigkeit des globalisierten Baumwollmarktes und Moralbegriffe schwafeln, wissen aber nichts über ihr Reiseland.

Als ähnlich gescheitert muss wohl der Versuch des Autors Rinke betrachtet werden, krampfartig den Sprung zum Polit-Autor zu schaffen. Denn jede gut gemeinte Ironie versandet da in der nepalesischen Wüste. Die erste Stunde kalauert sich das Ensemble tapfer von einem schalen Brüller zum nächsten. Und klimpert die esoterische Klaviatur von Yoga bis zum buddhistischen Bad lieblos herunter. Kaum zu glauben, dass Aussprüche wie „Die Taube ist zu sehr amnesty international, wie wäre es mit einer Möwe?“ für heisere Lacher und Erstickungsanfälle auf der Zuschauertribüne sorgen. Später, als erotische Wirren die frustrierte Hörfunkmoderatorin Inken (Victoria Trauttmansdorff) dem Alt-68er-Weintrinker Ministerialrat Kraus (Harald Baumgartner) in die Arme treiben, herrscht Schweigen. Und hier endet die „soziopolitische Analyse der Wir-Bindung“ keineswegs. Denn auch Filmregisseur Nick (Norman Hacker) quält sich mit der Balz an der Hardcore-Emanze Carla (Anna Steffens) ab. Sprüche wie „Muss man die Welt lässiger anklagen? Verführerischer, erotischer? Ich meine: Erst die Verführung, dann abbiegen in die Rebellion“, helfen ihm und uns nicht weiter. Die Welt ist wohl nicht mehr zu retten. Vielleicht aber das Theater und seine Autoren.

nächste Vorstellungen: 20., 22.9., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße