: „Kein Mensch kann die Welt komplett begreifen“
Hartmut Neven leitet das Google Quantum AI Lab. Im Gespräch erklärt er, wann Quantencomputer wirklich nützlich sind – und was Physik und Philosophie miteinander zu tun haben
Von Klaudia Lagozinski
taz: Herr Neven, Sie leiten das Google Quantum AI Lab und arbeiten dort am Quantenprozessor Willow. Manche glauben, diese neue Technologie wird die Art, wie wir leben so verändern, wie zuletzt das Internet. Sehen Sie Quantencomputer eher als Segen oder große Gefahr für die Menschheit?
Hartmut Neven: Eher als Segen. Es gibt viele Anwendungsbereiche, wo ein Quantencomputer ein hervorragendes Werkzeug wäre. Sie können helfen, neue Medikamente zu entwickeln; aber auch nützlich für Solarzellen, effiziente Batterien, leichtere Tragflächen für Flugzeuge und effizientere Stromleitungen sein. Es gibt eine Riesenliste von fundamentalen Problemen, die sie lösen könnten.
taz: Eine Sorge, die immer wieder geäußert wird, lautet, dass Quantencomputer sehr schnell Passwörter und Verschlüsselungen knacken könnten.
Neven: Post-Quantum-Kryptographie könnte dafür die Lösung sein. Wenn ein Quantencomputer als superpotentes Rechenwerkzeug in der Lage ist, heute gängige Codes zu entschlüsseln, wird genau dieses Werkzeug zukünftig auch in der Lage sein, die Sicherheit der Codes zu verbessern. Diese Methoden, mit denen man Informationen auch im Zeitalter von Quantencomputern sicher und privat halten kann, müssen aber noch weiter entwickelt werden.
taz: Viele wissen überhaupt nicht genau, was ein Quantencomputer ist. Was wird in Bezug auf diese Technologie häufig missverstanden?
Neven: Neulich, als mein 15-jähriger Sohn und ich „Mastermind“ spielten und puzzelten, fragte er mich: Könnte ein Quantencomputer das nicht viel besser? Die Annahme, dass Quantencomputer per se alles besser und schneller können, haben viele. Es stimmt aber nicht, dass es sich einfach um schnellere Computer sind. Sie sind Spezialwerkzeuge, die gewisse Aufgaben super gut bewältigen. Manche Prozesse beschleunigen sie, manches ist überhaupt erst durch sie möglich und andere Aufgaben beschleunigen sie gar nicht.
taz: Erklären Sie das bitte.
Neven: Gerade sprechen wir per Videokonferenz, auf einem herkömmlichen Computer. Die Kamera sammelt Lichtteilchen, der Computer wandelt sie in Bits um, sendet sie übers Internet und stellt auf dem anderen Bildschirm Bilder dar. Zwar könnte das auch ein Quantencomputer, aber im Fall einer Videokonferenz oder fürs E-Mail schreiben wäre er nicht schneller. Er wäre sogar etwas langsamer als ein klassischer Computer.
taz: Und wobei wäre ein Quantencomputer schneller?
Neven: Zum Beispiel bei der Modellierung von Molekülen für die Medikamentenentwicklung kommt ein Quantencomputer viel schneller zum Punkt.
taz: Woher weiß man, wann man einen Quantencomputer nutzen sollte?
Neven: Daran forschen wir. Wir wollen besser erkennen, wann die Bedingungen für einen Quantencomputer vorliegen – und wann nicht. Wenn mich mein Sohn beispielsweise fragt, ob ein Quantencomputer ein bestimmtes Brettspiel besser spielen könnte, muss ich erst mal nachdenken. Denn wir sind in der Quanteninformatik noch nicht soweit, direkt erkennen zu können, ob ein Quantencomputer hilft, ein Problem schneller zu lösen.
taz: Woran liegt das? Was macht einen Quantencomputer so besonders, dass er manche Prozesse und Berechnungen stark beschleunigen kann, während er für andere quasi untauglich ist?
Neven: Viele Menschen, sogar Kinder, wissen heute, dass Computer mit Nullen und Einsen arbeiten. Die bilden die Bits. Quantencomputer funktionieren ganz anders: Sie nutzen die Gesetze der Quantenphysik und sogenannte Qubits.
taz: Das bekannteste Gedankenexperiment zur Quantenphysik ist wohl Schrödingers Katze: Eine Katze sitzt in einer Kiste mit einem Mechanismus, der – abhängig vom Zufall – Gift freisetzen kann. Solange die Kiste geschlossen ist, kann niemand sagen, wie es der Katze geht. Für den Moment kann sie beides sein, lebendig und tot zugleich. Unter einem YouTube-Video mit Ihnen kommentierte jemand, dass Quantencomputer im Grunde wie ganz viele Schrödingers Katzen seien. Kann man das so sagen?
Neven: Ja, das kann man so sagen. Ein Qubit ist die elementare Schrödinger-Katze. Es ist ein System, das in zwei Zuständen gleichzeitig sein kann, also in Superposition. Null oder Eins, im Fall eines Bits – lebendig oder tot, im Fall der Katze. Die Superposition ist das erste Konzept, das man verstehen muss, um Quantenmechanik zu verstehen.
taz: Wie sind Sie selbst eigentlich zur Quantentheorie gekommen?
Neven: Meine allererste Physikvorlesung war für mich wie eine Art Gottesdienst. Eigentlich studierte ich damals Wirtschaft in Köln. Um Studien des Club of Rome zu „The Limits of Growth“ besser zu verstehen, musste ich besser in Mathe werden. Im Mathegrundkurs, den wir zusammen mit den Physikern hatten, freundete ich mich mit einigen von ihnen an und eines Tages haben sie mich vorm Mensamittagessen zu einer Vorlesung in Theoretischer Physik mitgenommen. Sie meinten: „Der Professor ist lustig – komm doch einfach mit.“
taz: Was passierte in der Vorlesung?
Neven: Der Professor erklärte die Stringtheorie. Sie ist der Versuch, zwei der großen Säulen der modernen Physik zu vereinen: Quantenmechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie, also die Theorie des ganz Kleinen – der Atomebene – und die Theorie des ganz Großen, vom Weltraum. Diese beiden Theorien funktionieren für sich zwar jeweils hervorragend, aber nicht zusammen. Ich war total fasziniert und fand das so viel spannender als Wirtschaft. Nach der Vorlesung sagte ich zu meinen Freunden, dass ich nachkomme in die Mensa. Dann machte ich mich auf den Weg ins Unisekretariat, schrieb mich um und studierte von da an Physik.
taz: Sind Sie zufrieden mit der Entscheidung?
Neven: Ja, sehr. Für mich ist Physik Philosophie mit quantitativen Methoden. Man kann sich in Theorien viele Gedanken über die Welt machen, aber letztlich muss man sehen, ob die Atome – also die materielle Welt – ihnen wirklich standhalten. Das ist der Charme der Physik.
taz: Inwiefern ist Physik philosophisch?
Neven: Historisch betrachtet hat Physik sowohl einen praktischen als auch einen philosophischen Ursprung. Im Mittelalter – etwa um das Jahr 1200 in Norditalien – wurden alte griechische Texte wiederentdeckt, zum Beispiel die von Pythagoras. Er war eigentlich ein spiritueller Lehrer und betrieb Mathematik aus philosophisch-religiösen Gründen, nicht für praktische Zwecke. Erst viel später, in der frühen Renaissance, entdeckten Menschen, dass sich mit seinen Berechnungen reale Probleme lösen lassen – zum Beispiel beim Bau von Flaschenzügen.
taz: Sie arbeiten bei Google an einem Quantencomputer, jedoch anders als Pythagoras – nämlich mit dem Ziel, dass Willow irgendwann reale Probleme lösen kann. Neven: Wer sich mit Physik beschäftigt, sollte und kann sich nicht an einem direkten Return-on-Investment orientieren. Man darf sich nicht fragen: Wie viel Geld kann ich damit mal verdienen? Das, woran man forscht, ist oft so indirekt, dass nicht klar ist, wann und ob das mal benutzt werden kann. Pythagoras wollte die Einheit Gottes beweisen und hatte keine Ahnung, dass sein Satz viel später mal für Werftarbeiter im Arsenal von Venedig nützlich sein würde, um Kisten ins Schiff zu laden.
taz: Viele versprechen sich Großes von Quantencomputern. Wie blicken Sie auf den aktuellen Hype? Könnte er nicht auch die nächste Dotcom-Blase sein und platzen – wie der Börsen-Hype in den 1990er Jahren, als viele Menschen in Internetfirmen, oft ohne echte Geschäftsmodelle, investierten?
Neven: Na ja, ich leite bei Google das Quantum-AI-Lab, natürlich bin ich voreingenommen und glaube, dass wir die besten Systeme haben. Wie bei einem Auto reicht es nicht, die besten Reifen, den besten Motor oder das beste Lenkrad zu haben. Alle Teile müssen zusammenpassen. Ein Qubit, das lange nicht zerfällt, aber dafür nicht gut mit anderen Qubits interagieren kann, ist nicht nützlich. Viele Unternehmen berichten von den Erfolgen ihrer Quantencomputer, haben aber keinerlei Berechnungen durchgeführt, die man nicht auch auf einem Laptop hätte machen können. Werden die gehypt, ärgert mich das ein bisschen.
taz: Googles Quantencomputer Willow hat dann also Berechnungen geschafft, an denen ein herkömmlicher Computer gescheitert wäre?

Neven: Einer der schönsten Momente war, als wir zeigen konnten, dass unser Quantencomputer bestimmte mathematische Probleme in wenigen Minuten löst. Ein klassischer Computer hätte dafür unvorstellbar lange gebraucht – 10 hoch 25 Jahre (Anmerkung der Redaktion: Das entspricht etwa 700 Billionen Mal der Zeit, die unser Universum bisher existiert). Das war ein Meilenstein und keineswegs selbstverständlich, unsere Theorien hätten sich genauso gut als falsch herausstellen können. Aber das ist nicht passiert – und das ist eine wichtige Bestätigung: Unsere Berechnungen funktionierten auch dort, wo sie nie zuvor getestet wurden.
taz: Was waren aus Ihrer Sicht die größten Hürden auf dem Weg dahin?
Neven: Eine der größten Herausforderungen war – und ist – die sogenannte Kohärenzzeit der Qubits.
taz: Was bedeutet das?
Neven: Qubits können in Superpositionen existieren. Diese Eigenschaft erlaubt es einem Quantencomputer, viele klassische Zustände gleichzeitig zu verarbeiten. Man kann sich das wie ein Rechner vorstellen, der mehrere Zustände parallel berechnet.
taz: Wie bei Schrödingers Katze, die in einer Realität tot und in der anderen lebendig ist?
Neven: Genau. Das Problem aber ist, diese Zustände sind empfindlich. Sie zerfallen, sobald das System zu stark mit der Umgebung interagiert. Zum Beispiel, wenn es zu warm wird oder elektromagnetische Strahlungen das System stören. Wenn das passiert, ist die Quanteninformation verloren. Die Kohärenzzeit beschreibt, wie lange ein Qubit stabil in diesem quantenmechanischen Zustand bleibt – also wie lange ich überhaupt mit ihm arbeiten kann.
taz: Wie lange ist das?
Neven: Früher lagen unsere Kohärenzzeiten nur bei rund 20 Mikrosekunden. Das ist sehr kurz. Wir haben dann mit viel Aufwand, Experimenten und, ehrlich gesagt, auch mit Rückschlägen daran gearbeitet, das zu verbessern. Heute erreichen wir mehrere Hundert Mikrosekunden. Das war ein echter Durchbruch.
taz: Ende 2024 wurde berichtet, dass Willow in Paralleluniversen rechnet. Sie bezogen sich auf die Many-Worlds-Theorie, nach der sich die Realität ständig in neue Welten aufspaltet. Nie passiert bei einem Ereignis nur das eine oder andere, sondern immer alle Optionen zugleich. Wie kamen Sie bei Google darauf, diese Theorie mit Quantencomputern zu verbinden?
Neven: Wenn ich darüber rede, werde ich oft kritisiert. Aber ich sage das nicht, um es spannender klingen zu lassen, als es ist. In der sogenannten Textbuch-Quantenmechanik gibt es zwei Arten, wie sich der Zustand eines Systems über die Zeit verändern kann: eine kontinuierliche und eine diskontinuierliche.
taz: Was bedeutet das konkret?
Neven: Wenn man ein einzelnes, abgeschlossenes System betrachtet – zum Beispiel ein isoliertes Teilchen –, dann verändert es sich ganz regelmäßig und vorhersagbar. Man könnte sagen: Es folgt einer Art innerer, ruhiger Bewegung.
taz: Also wie der Zeiger einer Uhr, der gleichmäßig weiterläuft.
Neven: Das ist der normale Ablauf im Inneren eines solchen Systems, solange niemand hineinschaut oder eingreift. Aber in dem Moment, wo man eine Messung macht – also zum Beispiel ein Gerät anschließt, welches das Teilchen beobachtet –, ist das System nicht mehr geschlossen. Jetzt greift von außen etwas ein. Und plötzlich verändert sich der Zustand sprunghaft.
taz: So, als würde der Uhrzeiger auf eine neue Position hüpfen?
Neven: Ja. Diese plötzliche Veränderung nennt man den „Kollaps“ des Zustands. Aus den zwei unterschiedlichen Arten, wie sich ein Quantensystem entwickeln kann – ruhig und gleichmäßig sowie plötzlich und sprunghaft –, ergibt sich ein grundlegendes Problem.
taz: Warum?
Neven: Weil wir oft nicht entscheiden können, welche der beiden Arten wir anwenden sollen. Nehmen Sie ein einfaches Beispiel: Ein Geigerzähler misst, ob ein radioaktives Atom zerfällt. Ist das nun ein geschlossenes System oder nicht? Wenn ich das Messgerät ebenfalls als Quantensystem mit einbeziehe, müsste es eigentlich auch der kontinuierlichen Entwicklung folgen. Dann dürfte es keinen Kollaps geben. Aber genau dieser Kollaps ist das, was wir in der Praxis beobachten. Das heißt: Die Theorie ist in sich widersprüchlich.
taz: Und die Many-Worlds-Theorie soll dieses Dilemma lösen?
Der Ausgewanderte
Hartmut Neven, geboren 1964, wuchs in Aachen auf. Mit Mitte 30 zog es den Physiker aber in die USA. Wenn er heute Deutschland besucht, lässt er beim Spazieren im Wald gern seine Gedanken schweifen. Im Escondido Canyon vor seiner Haustür im kalifornischen Malibu, wo es Berglöwen und Klapperschlangen gibt, geht das nicht so gut.
Der Physiker
Neven studierte in Köln Physik und promovierte dann 1996 am Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Zunächst beschäftigte er sich mit Gesichtserkennung, auch in Zusammenarbeit mit Google. Später wuchs sein Interesse für Quantencomputer. Seine Beobachtung, dass die Geschwindigkeit von Quantencomputern im Vergleich zu klassischen Computern doppelt exponentiell wächst, ist als Nevens Gesetz bekannt.
Neven: Genau. Hugh Everett hat 1958 vorgeschlagen, diesen sogenannten Kollaps komplett aus der Theorie zu streichen. Er sagte: Der Zustand entwickelt sich immer kontinuierlich. Egal, ob gemessen wird oder nicht. Das, was wir als Messung erleben, ist in Wahrheit eine Aufspaltung der Realität in mehrere mögliche Ausgänge. In der einen Welt ist das Atom zerfallen, in der anderen nicht. Beide existieren weiter, in getrennten „Zweigen“ des Universums. Deshalb nennt man das die Many-Worlds-Theorie.
taz: Also erleben wir in jedem Moment nur einen kleinen Ausschnitt aus einem gigantischen Multiversum?
Neven: Aus der Sicht dieser Theorie besteht das Universum aus einer Vielzahl von gleichzeitig existierenden Welten. Und unser Bewusstsein bewegt sich immer nur durch einen dieser Pfade und wir erfahren zu jedem Zeitpunkt stets nur eine Welt. Ich halte das für die konsistentere Interpretation der Quantenmechanik.
taz: Wenn man das annimmt, dann passiert stets alles gleichzeitig und alles ist möglich. Aber was ist dann echt?
Neven: Bevor ich das beantworte, würde ich gern Immanuel Kant zitieren. Er unterscheidet zwischen der noumenalen und der phänomenalen Realität, also dem, was „an sich“ existiert, und dem, was wir wahrnehmen können. Kant sagt: Die noumenale Realität bleibt uns letztlich unzugänglich. Wir können uns ihr nur annähern durch das, was wir beobachten und erfahren. Aber wir haben keinen Maßstab dafür, wie nah wir ihr wirklich kommen. Vielleicht sind wir schon ziemlich weit, vielleicht noch ganz am Anfang. Und womöglich ist der Abstand gar nicht vollständig überbrückbar.
taz: Also ist Realität nur das, was wir von dem Universum aus, in dem wir uns befinden, wahrnehmen können?
Neven: Wir bauen uns Modelle der Wirklichkeit, etwa davon, wie der Mars beschaffen ist. Heute gilt es als selbstverständlich, dass dieser eine feste Oberfläche hat und man theoretisch dorthin fliegen könnte. Aber im Mittelalter hätten die Leute bei der Vorstellung gelacht.
taz: … oder sie hätten die Vorstellung, ihn zu besiedeln, für verrückt gehalten.
Neven: Absolut. Unser heutiges Bild vom Mars ist sicher ein gutes Modell – aber eben trotzdem nur ein Modell. Genauso wie damals beruhen unsere Modelle, seien sich auch so hochkomplex wie das Modell vom Urknall oder die Theorien über Schwarze Löcher, auf Annahmen, die wir derzeit für sinnvoll halten. Es kann gut sein, dass künftige Generationen darauf mit einem ähnlichen Staunen blicken wie wir heute auf die mittelalterliche Vorstellung eines Himmels.
taz: Woran glauben Sie selbst?
Neven: Meine Grundmotto ist von Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Ich mache mir viele Gedanken über die fundamentalen Eigenschaften der Welt, aber letztlich glaube ich nicht, dass es möglich ist, als einzelner Mensch ein komplettes Verständnis zu erreichen.
Quanten sind die kleinsten Bausteine von Energie und Materie. Sie sind noch viel kleiner als Atome und folgen ganz eigenen Regeln. Die Quantenmechanik beschreibt, wie sie sich verhalten. Zum Beispiel können Quanten mehrere Zustände gleichzeitig annehmen – das heißt Superposition. Ein Elektron kann sich etwa an zwei Orten gleichzeitig aufhalten, auch Elektronen sind Quanten. Erst bei einer Messung entscheidet sich ein konkreter Zustand. Quanten können aber auch über große Räume miteinander verbunden sein, sodass eine Veränderung im Zustand des einen Teilchens sich auch automatisch auf das andere auswirkt. Das nennt man Verschränkung.
Ein Quantencomputer rechnet anders als ein klassischer Computer. Wenn man sich ein Problem als Weg durch ein Labyrinth vorstellt, würde ein klassischer Computer jeden Gang einzeln ausprobieren. Ein Quantencomputer könnte hingegen alle Wege gleichzeitig gehen. Das geschieht, indem die Qubits in verschiedene Zustände versetzt und miteinander verknüpft werden. Dabei interferieren die verschiedenen Lösungsoptionen wie Wellen: Falsche Wege löschen sich gegenseitig aus, die richtigen verstärken sich. Am Ende misst man den Zustand – das ist wie ein Blick von oben auf das Labyrinth: Man sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit den besten Weg, und auch das System gibt das Ergebnis mit der höchsten Wahrscheinlichkeit aus. Jedoch kann die Messung auch mal ein anderes Ergebnis liefern. Deshalb wird ein Rechenschritt oft wiederholt, um mit hoher Sicherheit die wahrscheinlich richtige Lösung zu erhalten.
Ein Quantencomputer besteht aus mehreren Schichten. Im Zentrum steht ein Qubit-Chip, auf dem sich die empfindlichen Quantenbits befinden – oft supraleitende Stromkreise, die nahe dem absoluten Nullpunkt bei –273 °C betrieben werden, um Störungen zu minimieren. Über dem Kühlsystem liegt eine Steuerschicht, die gezielte Impulse – zum Beispiel Mikrowellen – sendet, um die Qubits zu manipulieren. Dadurch sollen sie in bestimmte Zustände versetzt oder miteinander verschränkt werden. Eine weitere Ebene misst die Zustände der Qubits und verarbeitet die Ergebnisse. Dafür ist eine aufwendige Abschirmung gegen äußere Einflüsse wie Wärme, Vibration oder elektromagnetische Felder notwendig. Um all diese Systeme anzusteuern, ist ein Quantencomputer mit einem klassischen Computer verbunden.
Qubits sind die Grundeinheiten eines Quantencomputers – vergleichbar mit Bits im klassischen Computer. Ein Bit kann nur 0 oder 1 sein, ein Qubit kann beides gleichzeitig sein, und sie können verschränkt sein. So können Quantencomputer bestimmte Probleme schneller berechnen. Sie durchlaufen viele Rechenwege gleichzeitig, statt sie – wie ein klassischer Computer – nacheinander abzuarbeiten.
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