Kein Kahlschlag: Armenlobby zählt auf Schwarz-Gelb
Ulrich Schneider ist Lobbyist für Bedürftige. Der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes erwartet nicht nur Schlimmes von der künftigen Koalition aus FDP und Union.
Berlin taz | Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet nicht mit einem sozialen Kahlschlag unter der künftigen schwarz-gelben Bundesregierung. Er erwarte eine pragmatischen Zusammenarbeit mit der CDU, sagte Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der sonntaz. "Die haben sich selbst ja nie so identifiziert mit den Hartz-IV-Gesetzen. Mit etlichen Sozialpolitikern von der CDU ziehen wir da längst an einem Strang."
Er erwarte nicht, dass das von der FDP geforderte Bürgergeld kommen werde. "Ich denke nicht, dass sich die FDP hier gegen die CDU durchsetzen wird", sagt er. "Dass das Bürgergeld kommt, halte ich für völlig ausgeschlossen." Sogar mit der Westerwelle-Partei sieht Schneider Gemeinsamkeiten. "Ich hab eine ganze Reihe von Berührungspunkten gefunden", erzählt er. "Bei der Erhöhung des Kindergeldes, bei den Behindertenrechten, bei der Bildung."
Das Portrait über Ulrich Schneider lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 17./18. Oktober 2009 – zusammen mit der taz am Wochenende am Kiosk.
Schneider selbst nennt sich "Lobbyist". Hinter ihm und seinem Verband stehen von der linken Volkssolidarität bis zu den konservativen Freimaurern mehr als 40.000 Sozialbetriebe. Mit Blick auf die Sozialdemokraten sagt er: "Als die Agenda 2010 kam, fühlten wir uns so richtig betrogen." Auch danach machte er keine guten Erfahrungen mit den Sozialdemokraten. "Es war ja so, dass jede Nachbesserung gleich als Generalkritik an dem Gesamtprogramm empfunden wurde", erklärt er. "Das kommt von der eigenen Unaufgeräumtheit der Partei mit der Geschichte dieser Reform."
Mit einem Erfolg rechnet Schneider vor dem Bundesverfassungsgericht: Es verhandelt am Dienstag darüber, ob es verfassungskonform ist, dass Kindern 60 Prozent des Hartz-IV-Regelsatzes zugestanden wird. Die Kritiker regt vor allem auf, dass sich die Berechnung nicht konkret am Bedarf von Kindern orientiere, sondern pauschal festgelegt worden sei. Ein Urteil wird Anfang kommenden Jahres erwartet.
Schon im Januar hat das Bundessozialgericht in Kassel geurteilt, dass diese Sätze ungerecht sind. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte mit einem Gutachten nachgewiesen, dass die Berechnungen willkürlich sind. Der Satz für Kinder bis vierzehn Jahre müsse angehoben werden, verlangte das Gutachten. Das Sozialgericht leitete den Fall zur Entscheidung nach Karlsruhe weiter.
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