: Kein Jekyll für Teufel
■ Beim Abend- und Begleitprogramm dürfen die Ministerpräsidenten Bremens Kultur neu erleben
Das Musical „Jekyll & Hyde“ ist überall. Bei der Eröffnungsfeier der neuen Druckerei der Syker Kreiszeitung treten die HauptdarstellerInnen auf. In Hamburg macht unweit von Gruner & Jahr ein riesiges Plakat für das „Bremer Erfolgsmusical“ Werbung. Und für die Bremer Touristik Zentrale (BTZ) ist „Jekyll & Hyde“ sogar so einzigartig, dass das Musical als einziges kulturelles Abend-Angebot im neuen Schlachte-Werbeprospekt auftaucht. Jaha, liebe SykerInnen, HamburgerInnen und Bremen-TouristInnen, seht her: Die Wüste lebt! In Bremen werden auch abends nicht die Bürgersteige hochgeklappt! Denn immerhin, so vermittelt die BTZ, gibt es jetzt „Jekyll & Hyde“. Logische Schlussfolgerung für das Abendprogramm der heute in Bremen eintreffenden MinisterpräsidentInnen der Bundesländer: Sie gehen ins Musical. Doch genau das ist ein Fehlschluss.
Das „mit freundlicher Unterstützung des Weser Kurier“ gedruckte Programm der Konferenz listet genau auf, womit sich Erwin und Edeltraud Teufel, Heide Simonis, Dagmar und Harald Ringstorff bis Freitag in Bremen beschäftigen können. Neben Mittagsbüffets, dem Kamingespräch oder einem Besuch des Seefischkochstudios in Bremerhaven (für Fahrer und Sicherheitskräfte) sind auch Rundgänge in Bremer Firmen und Kultureinrichtungen vorgesehen. Erstaunlicherweise setzt das Protokoll für den hohen Besuch ganz eindeutig auf klassische Kultur.
Laut Programm konnten sich die schon seit gestern in Bremen wei-lenden Chefs der Staats- und Senatskanzleien über eine Vorbesichtigung der Nam-June-Paik-Ausstellung in der Kunsthalle freuen. Heute Abend erzählt die Schauspielerin und Mitbegründerin der Bremer Shakespeare Company, Hille Darjes, ihnen „Die Geschichte von Ferdinand, dem Stier“. Im Begleitprogramm – früher sexistisch Damenprogramm geheißen – sind neben Besuchen des „Wissenschaftsstandorts“ auch Bremen Rundgänge durch das Neue Museum Weserburg oder die Hochschule für Künste vorgesehen, in der das Atelier Neue Musik und das Barock Consort kleine Konzerte geben. Auch das ruhmreiche Blaumeier Atelier wird den BesucherInnen nicht vorenthalten. Auch den Fahrern und Sicherheitskräften wird ein Rundgang durch ein Museum – hier das Schifffahrtsmuseum – angeboten. Abends gehen sie zur Uraufführung der Holiday-On-Ice-Show „Colours of Dance“ in der Stadthalle. Holiday On Ice dürfte zwar eher nach dem BTZ-Geschmack sein. Aber die ProgrammplanerInnen haben der Show offenbar den Vorzug vor „Jekyll & Hyde“ gegeben.
Nichts gegen das Musical. Aber es ist ein eigenartiger Widerspruch: Einerseits hat der Senat unter anderem für die Kultur eine historisch ziemlich einmalige Kürzungsrate beschlossen. Doch andererseits spielt sie im Besuchsprogramm für die Dame und die Herren Länderchefs eine bedeutende Rolle.
Christoph Köster
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