: Kein Frieden in Sicht
■ Der Oppositionspolitiker Hernando Contreras rechnet mit einer neuen FMLN-Offensive in El Salvador
INTERVIEW
Über die Friedensperspektiven in El Salvador nach dem Scheitern der letzten Verhandlungsrunde zwischen Regierung und der FMLN äußert sich Dr. Rafael Hernando Contreras, Mitglied der Regierungskommission bei den Verhandlungen. Er war der einzige in der Kommission, der nicht der Regierungspartei ARENA angehört, sondern der Oppositionspartei PCN (Nationale Versöhnungspartei).
taz: Was bedeutet das Scheitern der neuesten Verhandlungsrunde zwischen der salvadorianischen Regierung und der FMLN-Guerilla für den Friedensprozeß?
Contreras: Nach unserem Fahrplan hätte ab 15.September 1990 der Krieg vorbei sein sollen. Das heißt, die FMLN wäre weiterhin bewaffnet geblieben, es hätte aber Frieden im Sinne von Waffenruhe gegeben. Dann hätte man mit der zweiten Phase begonnen: der Demobilisierung, oder sagen wir, weil die FMLN das Wort nicht mag, mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Man konnte nicht einmal diesen Fahrplan einhalten.
Weiß man bereits, ob es ein neues Datum für die Waffenruhe geben wird und könnte dies noch vor den Gemeinderatswahlen im März 1991 liegen?
Nein, das weiß heute niemand. Ich glaube, daß es nicht vor März 1991 dazu kommen wird.
Es gehört wohl zur Strategie der FMLN, die Wahlen abzuwarten. Nicht zuletzt, weil die ARENA-Regierungspartei den Frieden im Wahlkampf als Erfolg vermarkten könnte. Das liegt natürlich nicht im Interesse der FMLN.
Der Krieg ist also auf unbestimmte Zeit verlängert. Wie erklärt man das der Bevölkerung?
Die Bevölkerung hat genug vom Krieg. Das größte Problem ist, daß die Salvadorenos den Glauben an den Friedensprozeß verlieren. Beide Verhandlungspartner verlieren allmählich an Glaubwürdigkeit.
Man liest, daß die Guerilla eine neue Offensive plant.
Die FMLN hat in einer Pressekonferenz erklärt, daß dies möglich und sie jederzeit darauf vorbereitet sei. Eine Offensive ist also durchaus nicht auszuschließen, aber vermutlich von anderer Art als im letzten November. Der politische Preis einer Generaloffensive, bei der auch Zivilisten zu Schaden kommen, wäre für die FMLN zu hoch. Wahrscheinlicher sind gezielte Angriffe auf Militärs und strategisch wichtige Ziele.
Interview: Martin Lettmayer
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