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Kein Fernsehen im Gericht

■ Seit heute wird in Berlin wieder Egon Krenz der Prozeß gemacht. N-tv darf nicht aus dem Gerichtssaal übertragen

Karlsruhe/Berlin (dpa) – Der Berliner Nachrichtensender n-tv darf aus dem heute neu beginnenden Prozeß gegen den Ex-DDR- Staats- und Parteichef Egon Krenz keine Fernsehaufnahmen senden. Das Bundesverfassungsgericht wies in einem am Freitag veröffentlichten Beschluß den Antrag des Senders auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurück, die Aufnahmen zu gestatten. Die Zulassung von Fernsehberichterstattung aus dem Berliner Landgerichtssaal war vom Vorsitzenden Richter unter Hinweis auf das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) abgelehnt worden. Nach Paragraph 169 GVG sind grundsätzlich Kameras und Mikrofone in laufenden Gerichtsverfahren verboten.

Seit mehreren Jahren kämpft der Nachrichtensender dafür, daß Kameras während einer Gerichtsverhandlung zugelassen werden. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wies ausdrücklich darauf hin, die von n-tv erhobene Verfassungsbeschwerde sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Vielmehr werde die Verfassungsmäßigkeit des vollständigen Verbots von Ton- und Filmaufnahmen in Gerichtssälen „zur Zeit neu und kontrovers diskutiert“.

Der Eilantrag habe jedoch mit Blick auf die möglichen Folgen einer einstweiligen Anordnung abgelehnt werden müssen: Ergehe die einstweilige Anordnung nicht, habe die Verfassungsbeschwerde jedoch Erfolg, dann – so die Überlegung des Gerichts – wären dem Sender und der Öffentlichkeit Filmaufnahmen „von hoher zeitgeschichtlicher Bedeutung unwiederbringlich entgangen“. Werde anderseits dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stattgegeben, die Verfassungsbeschwerde hingegen später abgelehnt, wären die negativen Folgen noch erheblicher: Zu befürchten sei dann eine nachhaltige Störung des Ablaufs des Strafverfahrens, der „Interaktionen der Beteiligten“, der im Strafverfahren angestrebten Wahrheitsfindung sowie der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, vor allem der Angeklagten. Deshalb hätte der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt werden müssen.

In dem Prozeß gegen Krenz sowie fünf weitere frühere Mitglieder des SED-Politbüros – Günther Kleiber, Günter Schabowski, Kurt Hager, Horst Dohlus und Erich Mückenberger – wird wegen Totschlags an der innerdeutschen Grenze verhandelt. Das Verfahren war im Dezember vergangenen Jahres nach nur vier Verhandlungstagen abgebrochen worden.

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