: Kein Fatalismus
■ Hans Jonas nahm »die für eine Ehrenpromotion notwendigen Übertreibungen« stolz, aber auch etwas verlegen entgegen
Berlin. Im Beisein von Bundespräsident Weizsäcker vollzog sich gestern die Verleihung der Ehrenpromotion an den Philosophen Hans Jonas. Beinahe zwei Stunden dauerten die Lob- und Dankesreden, die unter anderem Johann W.Gerlach, Präsident der FU und ein Vertreter der StudentInnen an Jonas richteten. Von den »leuchtenden Zeichen für die Größe seines Denkens« berichtete Prof.Dietrich Böhler in seiner Laudatio, bevor er Jonas die Ehrenurkunde überreichte. Ganz zum Schluß kam der Geehrte selbst zu Wort. Hans Jonas quittierte »die für eine Ehrenpromotion notwendigen Übertreibungen« mit einer Mischung aus »Glück, Stolz und Verlegenheit«.
Diese Verlegenheit wurzelt bei Jonas in einem tiefen Zweifel, dem auch »die Kompetenz und das Lob der Würdigung« nicht abhelfen könnten. Die Bilanz von Vollbringen und Versagen ist auch für den Ehrendoktor eine zwiespältige. Genährt wird dieser Zweifel durch den Verdacht auf die »Vergeblichkeit von Worten, so wahr sie auch sein mögen«. Zu oft stünden die Worte im Widerspruch mit den Nöten und Zwängen des Alltags. Die Befürchtungen äußerte Jonas auch in Bezug auf seine Zukunftsethik, wie er sie im »Prinzip Verantwortung« formulierte: »Wenn Worte zu weit in die Zukunft reichen, greifen sie nicht mehr für die Gegenwart«.
Stellung bezog der 89jährige, der seine Dankesrede zum Großteil frei hielt, auch zum Umweltgipfel in Rio. Er sei eine Probe aufs Exempel, dessen Ausgang er mit Bangen entgegensehe. Wahrscheinlich komme nichts dabei heraus als die Bestätigung seiner Zweifel.
Dennoch: Fatalismus verbreitete Jonas nicht. Stattdessen warnte er das Publikum vor dieser »Todsünde des Augenblicks«, deren Gefahr beinahe so groß sei wie die objektive Gefahr der Menschheits- und Naturzerstörung. »Glaubt nicht«, mahnte Jonas, »daß die Dinge unausweichlich sind«. Wenn auch kein Erfolg garantiert sei, so mache doch das eigene Denken und das Eintreten für eigene Überzeugungen einen Einfluß auf den Gang der Dinge aus. Christof Hamann
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