■ Neues Buch von Til Mette: Kein Fall für den Humorwart
„Wissen Sie nicht, daß man davon Raucherbeine bekommt?“ fragt der Nichtraucher den Raucher. Der Raucher, der keine Beine mehr hat: „Schön wär's.“
Ein guter Witz ist wie ein gutes Geschenk – er muß immer auch erschrecken. „Smoking or Nonsmoking, Sir?“ wird der Hinzurichtende gefragt. Zwei identische elektrische Stühle hat er zur Auswahl. Entstehen besonders qualifizierte Witze dann, wenn der Witzezeichner erstens mit dem Rauchen aufgehört hat und zweitens in den USA lebt? Soeben erschien im Oldenburger Lappan-Verlag ein neues Buch des Bielefeld-Bremen-New-Yorker Karikaturisten Til Mette, in dem man sich die 95er Höhepunkte der Metteschen Witzkultur ansehen kann. „Nicht quengeln Kinder...“ heißt das Cartoonbuch (den Titel ziert eine Dummy-Familie im Auto, kurz von dem Crash. Mutter Dummy tröstet: „Seht ihr da vorne die Wand?“).
So einem Sammelband sieht man an, womit sich der Künstler das Jahr über rumgeschlagen hat. Offensichtlich hat er einen Themenband „Büro“ und noch einen zum Thema „Ärzte“ und noch einen zum Thema „Studenten“ veröffentlicht; er hat sich im Auftrag der Bremer taz nicht nur mit den „Bremer Trompetentagen“ befaßt (lange Schlange der Trompeter vor dem Bohneneintopf-Stand), sondern auch mit der Frage, ob Rotenburg an der Wümme einen Flughafen braucht oder Bremen ein Frauenkulturhaus. Außerdem scheint ihm in den USA das Grillen mit den Kumpels zu fehlen.
Besonders interessant an diesem Band ist aber, daß er zu einem Zeitpunkt entstand, als für Mette Entscheidendes passierte: Er wurde berühmt. Seit Anfang des Jahres hat er in jeder Ausgabe des Stern eine ganze Seite für sich und kann, wovon die meisten Kollegen nur träumen: gut von seiner Kunst leben.
Ja die Kräfte des Marktes! Die „Humorkritik“ in der Titanic, stets hellwach, wenn sich auf dem Witzmarkt etwas regt, widmete Mette sogleich einige „mahnende Worte“ und warf ihm vor, daß im Zuge seines „Mainstream-Erfolgs“ sein „angenehm ungelenker Strich ab in Richtung Routine“ rutsche: „Der Strich flutscht.“ Zwar macht sich die „Humorkritik“ nicht die Mühe, einen Beweis herzuschaffen; aber daß Mettes Witze neuerding öfter mal ornamentaler und mit „grafischem Handwerk versehen“ sind, ist wahr. Den alten Fan betrübt zum Beispiel das in jüngster Zeit gern eingesetzte Auspinselungs-Finish mit Tuschfarbe, was den Zeichnungen Fülle und Gediegenheit verleiht, beides durchaus verzichtbar. Man hat den Eindruck, daß diese Unart unter kommerziellem Druck in den Themenbüchern geboren wurde.
Daß, wie der oberste Humorwart der Republik mahnt, auch der Witzinhalt dem Zeitgeist erlegen sei, läßt sich wohl schwer belegen. Wenn sich Mette mit Geschlechterkampf, Ökos und Yuppies befaßt, ist das erstens eher untypisch. Und zweitens nicht schlimm, solange die Pointe ausreichend verrückt ist. Daß mal ein Witz daneben geht wie der zur Vernichtung von Frauenarbeitsplätzen durch spülende Männer (der Gag ist o.k., doch die Zeichnung ist zu geschwätzig, erst recht die Sprechblasen), belegt noch nicht, daß Mette vom Schweinesystem gekauft worden ist. BuS
Til Mette, Nicht quengeln Kinder..., Lappan Verlag, Oldenburg 1996, unpaginiert (72 Seiten gezählt), schwarzweiß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen