: Kein DDR-Recht für die RAF-Aussteiger
Pilotverfahren im Fall Susanne Albrecht: Gericht erkennt Karlsruher Haftbefehl an / Keine Auslieferung ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) - Gegen das frühere RAF-Mitglied Susanne Albrecht ist am Mittwoch vom Ostberliner Stadtgericht ein Haftbefehl des Karlsruher Bundesgerichtshofes (BGH) verhängt worden. Gleichzeitig wurde einer Haftbeschwerde der 39jährigen RAF-Aussteigerin entsprochen und der vom Berliner Stadtbezirksgericht zuvor erlassene Auslieferungshaftbefehl verworfen.
Weil die Rechtsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR „zunehmend nach innerstaatlichen Gesichtspunkten“ beurteilt werden müßten, kommt für das Stadtgericht eine Auslieferung Albrechts nicht mehr in Frage.
An dem „Pilotverfahren“ um die mögliche Auslieferung ist mittlerweile auch ein grundsätzlicher Streit in der DDR -Justiz entbrannt. Die VerteidigerInnen der insgesamt acht verhafteten früheren RAF-Mitglieder vertreten die Auffassung, daß nach Artikel 33 der DDR-Verfassung eine Auslieferung an eine „auswärtige Macht“ unzulässig ist. Die Staatsanwaltschaft in Ost-Berlin hatte dagegen die Linie verfolgt, wonach eine Auslieferung nur dann möglich sei, wenn ausschließlich die Straftatbestände in der Bundesrepublik angeklagt würden, die auch in der DDR rechtsgültig sind.
In der Begründung des Berliner Stadtgerichtes wird nun auf den in Bonn und Berlin beschlossenen Staatsvertrag verwiesen. Danach würden die Verfassungsbestimmungen der DDR, die die Bundesrepublik weiterhin als Ausland definierten, schlicht hinfällig. Für Frau Albrecht und die sieben weiteren in der DDR inhaftierten RAF-Austeiger dürfte diese Rechtsauffassung weitreichende Folgen haben. Im Fall einer Auslieferung käme eine Verurteilung nach Paragraph 129a (terroristische Vereinigung) nicht in Betracht.
Susanne Albrecht hat gegen den neuen Haftbefehl Beschwerde eingelegt, bisher aber ohne Begründung. Sollte sich ihre Beschwerde darauf stützen, daß ein Haftbefehl des Bundesgerichtshofes rechtswidrig von einem DDR-Gericht verfügt worden sei, muß die Entscheidung von einen Obersten Gericht der DDR getroffen werden.
Der frühere Generalbundesanwalt Kurt Rebmann schlug gestern in einem Gespräch mit der 'Welt‘ sogar vor, eine Auslieferung der RAF-Pensionäre im Zuge des zweiten Staatsvertrags zu regeln.
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