: Kein Bett im Tunnel
■ Obdachlose aus Lloydtunnel „vertrieben“
Fast ein Jahr lang bot der Lloydtunnel Obdachlosen ein zugiges Quartier. Hatten im Frühjahr noch Rally und Willi (siehe Foto) dort mit Matrazen und Kerzen „gewohnt“, so nisteten sich später wechselnde Gruppen in der Ecke am Ausgang ein. Seit ein paar Tagen ist die Ecke leer - die Polizei ist eingeschritten. Wir sprachen mit dem Leiter des Reviers Schwachhausen, Fred Hufendiek.
Sie haben die fünf Obdachlosen aus dem Tunnel vertrieben ...
Was heißt vertrieben - ich seh' das anders: Das ist öffentlicher Grund, und wenn man öffentlichen Grund über den normalen Gebrauch hinaus benutzt, dann muß man dafür eine Erlaubnis haben - Das ist doch auch so, wenn man auf öffentlichem Grund Infomaterial verteilen möchte.
Ja hätten die eine Erlaubnis gekriegt?
Nein, dafür gibt es keine Erlaubnis, für das Wohnen auf der Straße.
Hatte sich denn jemand beklagt?
Es haben sich des öfteren Bürger beklagt, vor allem jetzt, wo es kalt war: Das wäre doch nicht zumutbar, daß Menschen unter solchen Voraussetzungen wohnen. Zumal man von Obdachlosen gehört hat, die erforen sind. Ich hab' daraufhin nochmal mit dem Sozialamt gesprochen, ob diese Leute nicht anderweitig untergebracht werden können. Das ist möglich! Aber zwei Leute hatten einen Hunde, und sowas ist nicht vorgesehen in Obdachlosenunterkünften.
Und wo sind die Hunde jetzt?
Weil das schon öfter ein Problem war, hat das Sozialamt in der Duckwitzstraße Hundezwinger gebaut, um auch solche Leute unterbringen zu können. Als das dann alles geregelt war, hab' ich den Leuten im Tunnel gesagt: ,So Freunde, nun ist alles geregelt, ihr könnt dort im Warmen schlafen, und eure Hunde sind auch untergebracht.'
Aber in diese Unterkunft kann man immer nur nachts?
Das ist richtig... Ja, und da haben sie mir versprochen, daß sie ihre Sachen packen. Aber als ich dann nachts hingegangen bin, also in der Nacht auf Dienstag, da waren sie immer noch da. Da haben wir gesagt, das machen wir nicht mehr mit - wir hatten die Leute ja schon mehrfach aufgefordert. Ich hatte auch zunehmend den Eindruck, als wenn die gar nicht in einer festen Unterkunft wohnen wollten. Also haben wir gesagt: Räumt eure Sachen zusammen. Wir hatten das vorbereitet, hatten Tüten mitgenommen. Und was dann übergeblieben ist, so Uraltklamotten und alte Schaumstoffdinger, das hat die Müllabfuhr später mitgenommen.
Es haben doch auch schon früher Leute dort gewohnt ...
Aber das ist doch kein Argument. Das ist ja nunmal kein Wohnhaus der Lloydtunnel, ein Fußweg ist das. Das ist ein ordnungswidriger Zustand. Im Sommerhalbjahr hatten wir eben gesagt, na gut, denen passiert da nicht viel. Aber jetzt bei der Kälte mußten wir uns drum kümmern - stellen Sie sich vor, es wäre einem was passiert, da hätte bestimmt einer von der schreibenden Zunft gefragt ,Menschenskinder, ihr hättet Euch da auch schon früher drum kümmern können'.
Fragen: Christine Holch
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