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Kein All- und kein Heilmittel

■ Erster Methadonbericht zeigt rasche Zunahme der Substitution

Methadon, das machte Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger wieder und wieder deutlich, ist selber eine Droge, schafft neue Abhängigkeit, ist „schweres Kaliber.“ Es ist in der BRD verboten und darf nur bei medizinischer Indikation verschrieben werden. Es ist ausdrücklich keine „Therapie“ , sondern eine „Hilfe“, dverabfolgt mit dem Ziel, Heroinabhängige irgendwann drogenfrei zu machen oder jedenfalls aus extremem körperlich-sozialen Verelendungszustand herauszuholen. Es ist sowenig ein Mittel, „um der Drogenprolematik Herr zu werden“ , noch eines, um vorrangig die Bevölkerung zu schützen. Es ist auch kein „Programm“ mit einer bestimmten Anzahl von offenen Plätzen, sondern wird je nach individueller Lage gewährt.

Die vielfältigen Vorsichtigkeitsbezeugungen auf der Pressekonferenz, mit der Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger den ersten Erfahrungsbericht über die Methadonvergabe in Bremen vorstellte, hüllte eine explosive Zahl ein: mit 108 Methadonempfängern ist Bremen die Stadt mit den meisten „Substituierten“, d.h. von Heroin auf Methadon Umgestellten, in der BRD. Jedenfalls, wieder eine Einschränkung, mit den meisten bekannten, was, so Vera Rüdiger, auch an der größeren „Grau-Substituierung“ in anderen Städten liege, also einer unkontrollierten Umstellung auf Ersatzdrogen.

Aus 25 Methadon-Trinkern im März sind bis September 108 geworden, seitdem die „Gemeinsame Empfehlung“ realisiert wurde, auf die sich Gesundheitssenatorin, Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung im Januar geeinigt hatten. Methadon darf danach H-Süchtigen von den 30 substitutionsbereiten Ärzten verschrieben werden bei „schweren und finalen Krankheitszuständen“, bei Schwangerschaft und in individuellen Fällen, wenn eine Fünfer-Sachverständigen-Kommission es befürwortet. Als weitere Indikation zeichnet sich eine zeitlich befristete Vergabe zur „Überbrückung“ akuter Situationen ab. Die Kosten für Schwangere und Aids-Kranke H-Süchtige tragen die Krankenkassen, für die anderen Indikationen bis jetzt noch die Sozialämter im Zuge der Krankenhilfe.

43 Prozent der Methadon-Empfänger sind Frauen. 21 Prozent geben ein Arbeitsverhältnis an. Über die Auswirkung der Behandlung mochte die Senatorin vor dem Beginn einer wissenschaftlichen Begleitung mit Sicherheit nur die körperliche Stabilisierung der Süchtigen zu nennen, u.a. Gewichtszunahme, Abszeßabnahme. Angesichts der Postkarten, die die Senatorin von erbosten Leuten erhält, die die aufwendige Behandlung für Heroinsüchtige gegen die eigene Bedürftigkeit aufrechnen, betonte sie: Die extreme Verelendung der Abhängigen zuzulassen sei nicht nur inhumaner sondern auch teurer als die Substituion. U.S.

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