: Keck mit Zigarette
Gleich drei Ausstellungen zur Kunst der DDR sind in Cottbus zu sehen. Frauenbilder und Gegenöffentlichkeit stehen im Fokus. Selbstbewusste Porträts finden sich neben einem tastenden Umgang mit Identität und Weiblichkeit. Punks sind auch dabei
Von Katrin Bettina Müller
Wie sich das Erwartbare mit dem Unerwarteten mischt, macht oft den Reiz einer thematischen Schau aus. Das trifft zu auf die Ausstellung „Unbeschreiblich weiblich“ im Dieselkraftwerk Cottbus über Frauenbilder in der DDR. Nicht nur, weil man viele wenig bekannte Künstler:innen kennenlernt, sondern auch durch die Mischung von repräsentativen und metaphorischen Positionen.
Überlebensgroß ist der von Konturen in Kohle und Kreide grob gefasste Akt einer Frau, die sich gegen die Drehung zweier Reifen stemmt, in Sabine Herrmanns Zeichnung „Frau im Rad“. Das Kraftzehrende und das Widerständige, Verletzbarkeit und Beharrlichkeit finden da zusammen. Die Bildsprache der Berliner Malerin ist in ihrer poetischen Verknappung und Expressivität typisch für eine Generation DDR-Künstler:innen, die noch jung waren in den Jahren der Wende.
Ihrem tastenden Umgang mit Identität und Weiblichkeit kann man zwei selbstgewisse Porträts gegenüberstellen: 1976 zeigte sich die Malerin Monika Geilsdorf als selbstbewusste junge Frau, keck mit Zigarette und herausforderndem Blick vor einer Staffelei. Sie nimmt darin die Ikonografie klassischer Selbstporträts auf und zeigt sich als eine, die sich durchgebissen hat zu der Gleichberechtigung, die in der DDR zwar offiziell Richtlinie war, der die Realität allerdings oft widersprach. Im Stil liegt ebenso viel Neue Sachlichkeit wie Fotorealismus. Konventioneller gemalt, mit einem Hauch von großbürgerlichem Stolz, ist das Porträt, das der 1894 geborene Maler Hans Jüchser seiner jungen Ehefrau Helga gewidmet hat, die ihn in seiner Karriere unterstützte. In einer eleganten und souveränen Pose präsentiert sie sich in einem Sessel.
Dass es in der DDR viele Fotograf:innen gab, die von Frauen am Arbeitsplatz spannende Porträts gemacht haben, nicht heroisch überhöht, weiß man. Evelyn Richter etwa zeigt eine Arbeiterin, deren Körper kompliziert verschränkt ist mit Rädern und Griffen einer Druckmaschine. Noch aus den Anfangsjahren der DDR stammt ein Bild von „Trümmerfrauen“, das Rudolf Bergander 1955 in einem sanften Realismus gemalt hat. Weniger bekannt ist aber, wie oft sich Künstler:innen dem alternden Körper gewidmet haben, der Hinfälligkeit und Einsamkeit, die man hier in einer längeren Bildstrecke studieren kann. Dabei ist eine Fotografie Gundula Schulze Eldowys von Tamerlan, einer alten Frau, deren Lebensgeschichte in die vielen Porträts einfließt, mit denen die Fotografin sie lange Zeit begleitet hat.
Das Museum Dieselkraftwerk Cottbus gehört zu den Brandenburgischen Museen für moderne Kunst, die zurzeit einen Schwerpunkt auf die Kunst der DDR in den Achtzigern setzen und mehrere Ausstellungen aus ihren eigenen Sammlungen bestreiten. „Unbeschreiblich weiblich“ wird so von einer Kabinettausstellung über Punk und jugendliches Rebellentum, mit Fokus auf lokalen Akteuren aus Cottbus begleitet – die Punkband Sandow und das Archiv von Daniel Sambo-Richter –, und von einer Schau aus den Plakat- und Grafiksammlungen: Die verfolgt unter dem Titel „Sendung aus dem Gegen-Raum“ Strategien der Vernetzung und der Arbeit an Räumen von Kommunikation und Austausch, die unter dem Radar der staatlichen Kontrolle liefen.
Zwischen den drei Ausstellungen gibt es Überschneidungen. Von Clemens Gröszer etwa, dessen kühler, veristischer Stil an die 1920er Jahre erinnert, sind mehrere Porträts junger, cooler Frauen zu sehen, einmal im Gestus der unabhängigen Intellektuellen und einmal einer jungen Malerin in punkiger Kluft.
Ein besonderes Fundstück zum Thema Jugendkulturen kommt aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv, eine handgezeichnete Liste „negativ-dekadenter Jugendlicher“, die nach Haarschnitt und Kleidung in Teds, Tramper, Skins, Heavys und Punks unterteilt werden und allesamt als politisch desinteressiert und dennoch gefährlich negativ eingeordnet werden. Eine davon, die Schlagzeugerin Mita, hat den Kopf auf einer Fotografie von Christiane Eisler in einen kaputten Kühlschrank gesteckt und reckt die Beine in die Höhe: im Kaputten artistisch die Balance finden. Plattencover, Fotos von Konzerten, Filmausschnitte und Interviews vermitteln ein Bild von der Lebhaftigkeit, dem Spielerischen und Widerständigen der Punkszene.
Dass sich deren Suche nach eigenen Räumen mit der von bildenden Künstler:innen ihrer Generation überschnitt, wird in der dritten Ausstellung deutlich. Sie gilt Künstlergruppen, Festivals, den Anfängen von privaten Galerien in Wohnungen: Es ist eine kleinteilige und verästelte Erzählung, die hier liebevoll mit viel spielerischem Material aufbereitet wird.
Der „Sendung aus dem Gegen-Raum“ hat die Kuratorin Helene Roolf ein Zitat von Lutz Dammbeck mitgegeben. Der Maler, Grafiker und Filmemacher schrieb 1996: „Hier eine klare konterrevolutionäre Avantgarde und dort die Staatskünstler, eine saubere Trennung gab es nie. Es gab immer Brücken und Stege, über die munter hin- und hergegangen wurde, von dem einen mehr, von dem anderen weniger.“ Die Heroisierung des Dissidententums, zu der der Kunstbetrieb in den 1990ern neigte, ist in den Cottbusser Ausstellungen einer entspannteren Haltung gewichen.
Eine ganze Wand mit Plakaten gilt den Anfängen von Eigen + Art in einer Dachgeschosswohnung 1983 in Leipzig. Das Wort „Galerie“ taucht auf ihnen noch nicht auf. Der Initiator Gerd Harry Lybke, der sich in den 1990ern bald zu einem international erfolgreichen Galeristen entwickelte, arbeitete hier schon mit vielen von ihm langfristig betreuten Künstler:innen zusammen. Die Plakate, gedruckt in kleiner Auflage, waren auch wichtig als Handelsgut: Mit ihrem Verkauf kam etwas Geld in die Kasse.
Von Manfred Butzmann sind Plakate zu sehen, die unter der Überschrift „Heimatkunde“ den Abriss denkmalgeschützter Architekturen in der DDR dokumentierten und kritisierten, Gegenöffentlichkeit in bestem Sinn. Auch Unvermutetes findet sich, wie eine Liebeserklärung an das Fahrrad und Ablehnung der Motorisierung. Von Martina und Steffen Giersch gibt es ein Foto der Aktion „mobil ohne Auto“ von 1982: im Vordergrund zusammengestellte Fahrräder, dahinter eine Reihe nackter Menschen in der Landschaft, die die Buchstaben von „mobil ohne Auto“ auf dem Rücken tragen.
Brandenburgisches Landesmuseum, Dieselkraftwerk Cottbus, „Unbeschreiblich weiblich“ bis 10. 8., „Gegen den Strich oder die getanzte Wut“, bis 17. 8., „Sendung aus dem Gegenraum“ bis 24. 8.
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