Kaum Fortschritt bei CO2-Reduktion: Deutschland rast, das Klima leidet
Bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehrsbereich ist die große Koalition kaum vorangekommen. Die Grünen sprechen von einem "Offenbarungseid".
BERLIN taz | Wer einen Neuwagen kaufen will, sollte im Autosalon auf den ersten Blick erkennen können, wie viel Kraftstoff das Fahrzeug verbraucht und wie viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) es durch den Auspuff pustet. Sollte. Bis zum Herbst wollte die Bundesregierung eine neue Regelung auf den Weg bringen, die den Autoverkäufern verbindliche Kennzeichnungsvorgaben macht - ähnlich den Hinweisschildern zur Energieeffizienz bei Kühlschränken oder Waschmaschinen.
Daraus wird nun aber wohl nichts mehr. "Ich glaube nicht, dass wir das in dieser Wahlperiode noch hinbekommen", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in einem Zeitungsinterview.
Verantwortlich sei Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Dieser habe "die geplante Kennzeichnung torpediert". Die Union helfe der Autoindustrie bei der Kundentäuschung. "Die Autoindustrie will nach der Wahl ein Label durchsetzen, das die Wahrheit über den Spritverbrauch verschleiert. Sie will ihre schlechten CO2-Werte vertuschen."
Allerdings könnte auch die Kennzeichnung des Spritverbrauchs beim Neuwagenverkauf nur einen kleinen Beitrag dazu liefern, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken. Rund 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid lassen sich damit nach optimistischen Schätzungen jährlich einsparen. Knapp 34 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 sollen allein im Verkehrsbereich eingespart werden, hatte die Bundesregierung im August 2007 im brandenburgischen Meseberg beschlossen - um international ihre Klimaschutzziele zu untermauern.
Im Verkehrsbereich ist dabei bislang allerdings wenig geschehen. Oder es bleibt vage, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgeht. "Im Verkehrsbereich muss die Bundesregierung einen klimapolitischen Offenbarungseid leisten", sagte der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann der taz. Nur die Hälfte der avisierten Maßnahmen sei überhaupt in Angriff genommen worden. Einer der größten Fehler sei, dass bei der Neuregelung der Kfz-Besteuerung auf eine klimapolitische Lenkungswirkung verzichtet worden sei.
Hermann vermisst auch, was schon die rot-grüne Bundesregierung wegen des Widerstands der SPD nicht auf den Weg gebracht hat: ein generelles Tempolimit für Autos in Deutschland. "Das wäre eine schnell umzusetzende und kostenlose Maßnahme", so Hermann. Sie würde in etwa so viel CO2-Einsparung bringen wie das milliardenteure Programm zur Sanierung von Altbauten.
Ein besonderes Ärgernis sieht Hermann auch in der Förderung der Autoproduktion. "Für die Abwrackprämie geben wir 5 Milliarden Euro aus und fördern damit Technologien von gestern", sagt er. Für die Förderung von Elektroautos, einer Technologie von morgen, sei hingegen nur eine halbe Milliarde Euro vorgesehen. Hermann: "Da stimmen die Verhältnisse doch hinten und vorne nicht."
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