piwik no script img

KaukasusGeorgien wirft Russland Luftangriff vor

Russische Kampfjets sollen ein georgisches Dorf bombardiert haben, behauptet Tiflis. Moskau dementiert, der Präsident Südossetiens äußerte einen anderen Verdacht.

Soll Bombe über Georgien abgeworfen haben: ein russischer Kampfjet Bild: ap

Ist das georgische Dorf Zitebulani nur knapp einer Katastrophe entgangen? Auf den kleinen Flecken, 65 Kilometer von der Hauptstadt Tiflis entfernt, ging am Montagabend eine Präzisionsrakete nieder. Abgeworfen habe sie ein russisches Kampfflugzeug, sagte ein Regierungssprecher in Tiflis am Dienstag. Verletzt wurde niemand, denn das eine Tonne schwere Geschoss explodierte nicht. "Es hätte sonst viele Opfer gegeben", erklärte der Sprecher. Georgische Medien zeigten eine mit Metalltrümmern übersäte Wiese. Auf den mutmasslichen Raketenteilen waren deutlich kyrillische Buchstaben zu erkennen.

Zitebulani liegt unweit der abtrünnigen georgischen Provinz Südossetien, die von Moskau materiell und moralisch unterstützt wird. Die Situation an der georgisch-ossetischen Grenze ist seit Jahren angespannt. Immer wieder kommt es zu Schiessereien. Dass nun aber Südossetiens Schutzmacht Russland Kampfflieger eingesetzt haben soll, bedeutet einem weiteren Schritt in Richtung Eskalation. Der georgische Innenminister Wano Merabischwili sprach von einem "Akt der Aggression." Das Aussenministerium bestellte den russischen Botschafter ein und rief eine Krisensitzung zusammen.

Die russische Luftwaffe dementierte die Vorwürfe aus Tiflis umgehend. Es seien keine russischen Flugzeug im fraglichen Gebiet unterwegs gewesen, sagte ein hoher Militär. Der südossetische Präsident Eduard Kokojty drehte den Spiess sogar um. Er bestätigte zwar den Luftangriff im Grenzgebiet. Attackiert hätten aber georgische Flugzeuge. "Das ist eine georgische Provokation, um Russland zu diskreditieren", sagte Kokojty.

Der jüngste Zwischenfall hat die leisen Hoffnungen auf eine Annäherung zwischen Moskau und Tiflis jäh zerstört. Die beiden Staaten streiten seit den Neunzigerjahren um die abtrünnigen georgischen Teilrepubliken Südossetien und Abchasien. Mit dem Amtsantritt des prowestlichen Präsidenten Michail Saakaschwili in Georgien hat sich der Konflikt verschärft. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der russisch-georgische Streit im vergangenen Herbst, als Georgien vier mutmassliche russische Spione auswies. Moskau reagierte mit einer Visumsblockade und Wirtschaftssanktionen.

In den vergangenen Monaten hatte es Anzeichen einer Entspannung gegeben. Mitte Juli lockerte Russland das Visumsregime für Georgier wieder. Zudem gab es Gespräche über eine Wiederaufnahme des Luftverkehrs zwischen den beiden Ländern. Beobachter spekulierten bereits, Moskau und Tiflis könnten sich bald einigen und die Konflikte in Südossetien und Abchasien gemeinsam lösen.

Doch selbst dieses Mini-Tauwetter war nicht frei von Irritationen. Nachdem das russische Sotschi den Zuschlag für die Olympischen Winterspielen 2014 erhalten hatte, wuchsen in Moskau die Gelüste, Abchasien noch fester an sich zu binden. Die separatistische Republik liegt nur wenige Kilometer von Sotschi entfernt. Rußlands Vizepremier Aleksander Schukow regte an, Zementfabriken für den Bau von olympischen Objekten in Abchasien zu errichten. Angeblich soll Russland planen, hunderte von Millionen Dollar in die international nicht anerkannte Republik zu investieren.

Rußlands Aussenminister Sergej Lawrow dementierte solche Absichten. Doch Moskaus verstärktes Engagement in Abchasien hatte in Tiflis grösste Besorgnis ausgelöst. Die georgische Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse drohte, Georgien werde Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) weiter blockieren, wenn Moskau ohne Zustimmung von Tiflis in Abchasien investiere.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!