Kaukasus-Krieg: US-Verbalattacken auf Russland
Der Ton wird schärfer: US-Präsident Bush wirft Russland eine "überzogene Reaktion" im Kaukasus vor. Laut Georgiens Verteidigungsministerium sind russische Truppen in einen georgischen Militärstützpunkt eingerückt.
NEW YORK/TIFLIS/PEKING afp/dpa/ap Im Machtkampf um den Südkaukasus hat sich der Ton zwischen Russland und den USA verschärft. US-Präsident George W. Bush hat Russland eine "überzogene Reaktion" im Kaukasus vorgeworfen. Scharf verurteilte Bush am Montag in einem Interview des amerikanischen Fernsehens NBC auch die Bombardierungen außerhalb von Südossetien. Bei seinem Besuch der Olympischen Spiele habe er Russlands Ministerpräsidenten Wladimir Putin die gleiche Botschaft wie Präsident Dmitri Medwedew übermittelt: "Ich sagte, diese Gewalt ist nicht akzeptabel." Er habe seine "ernsthafte Sorge" zum Ausdruck gebracht. Es müsse eine internationale Vermittlungsmission für das Problem Südossetien geben, so Bush.
US-Vizepräsident Dick Cheney warnte Moskau vor ernsthaften Konsequenzen für seine Beziehung zu den USA und anderen Ländern, sollte es seine Angriffe auf Georgien forsetzen. Im UN-Sicherheitsrat lieferten sich die Vertreter beider Staaten einen heftigen Schlagabtausch, der stellenweise an die Zeit des Kalten Kriegs erinnerte. Tiflis und Moskau beschuldigten sich erneut gegenseitig, die Kämpfe fortzusetzen.
Bei Beratungen des UN-Sicherheitsrats über eine gemeinsame Erklärung zur Lage im Südkaukasus kam es zu heftigen Wortwechseln zwischen US-Botschafter Zalmay Khalilzad und seinem russischen Kollegen Witali Tschurkin. Khalilzad warf Russland vor, mit einer "Terrorkampagne" die Ablösung der demokratisch gewählten Regierung in Tiflis zu betreiben. Tschurkin wies die Vorwürfe entschieden zurück. Diese seien "inakzeptabel, besonders, wenn sie von dem Vertreter eines Landes stammen, dessen Aktionen im Irak, Afghanistan und Serbien uns allen bekannt sind".
Derweil zeigt die Vermittlungsmission der EU-Abgesandten in Tiflis erste Erfolge. Der georgische Präsident Michail Saakaschwili hat nach eigenen Angaben in Anwesenheit der Außenminister Frankreichs und Finnlands eine Waffenstillstandsvereinbarung unterschrieben. Bernard Kouchner, der die EU-Ratspräsidentschaft vertritt, und Alexander Stubb, Vorsitzender der der OSZE, hielten sich am Montag in Tiflis auf, um in dem Konflikt zwischen Georgien und Russland über die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien zu vermitteln.
Der Waffenstillstand beinhaltet eine Feuerpause aller Seiten sowie den Abzug jeglicher Truppen aus dem Konfliktgebiet unter internationaler Beobachtung und den Beginn politischer Verhandlungen. Laut Saakaschwili wollten die EU-Vertreter noch am Montag nach Moskau weiterreisen, um die russische Regierung zur Annahme dieser Waffenstillstandsvereinbarung zu bewegen. Am Mittwoch dann will Kouchner die EU-Außenminister bei einer Sondersitzung in Brüssel über das Ergebnis seiner Mission unterrichten. Der Elysée-Palast bestätigte Berichte des Kreml, wonach auch Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy "in den nächsten Tagen" nach Moskau reisen wollte.
Ungeachtet aller diplomatischen Bemühungen und einer einseitigen Feuerpause der georgischen Truppen in Südossetien setzte Russland seine Angriffe auf georgisches Gebiet fort. Nach Angaben des georgischen Verteidigungsministeriums sind russische Truppen am Montag in einen georgischen Militärstützpunkt im Westen des Landes eingerückt. Die Soldaten hätten den Stützpunkt in der Ortschaft Senaki besetzt, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Tifilis. Am Stadtrand von Tiflis bombadierten Kampfflugzeuge laut einem georgischen Innenministeriums-Sprecher am frühen Morgen eine Militärbasis sowie ein Luftkontrollzentrum. In der Nacht habe die Stadt Gori unweit der Grenze von Südossetien unter "heftigem Beschuss" russischer Flugzeuge und Artillerie gestanden, sagte Ministeriumssprecher Schota Utjaschwili. Nach russischen Angaben versenkte die russische Marine im Schwarzmeer ein georgisches Schnellboot mit Raketenwerfern.
Auch im Konflikt um das zweite abtrünnige Gebiet Abchasien gerät das georgische Militär in die Defensive. Die Führung der von Russland unterstützten Separatistenrepublik teilte am Montag mit, dass die georgischen Truppen im oberen Kodori-Tal komplett umzingelt seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld