: Katzenmörder im Arztkittel Von Ralf Sotscheck
Katzen haben neun Leben. Manchmal reicht das aber nicht aus. Als Brendan aus Galway im Westen Irlands neulich nach einer Runde Golf nach Hause fuhr, lief ihm eine Katze vor das Auto. Da Brendan ziemlich zügig gefahren war, konnte er nicht mehr bremsen und überrollte die Mieze. Ein paar Kilometer weiter bekam er Gewissensbisse. Brendan ist nämlich Arzt, wenn auch eigentlich eher für Menschen zuständig. Wenn die Katze nun gar nicht tot war, sondern schwer verletzt überlebt hatte? Besser, man machte ihr vollends den Garaus, damit sie sich nicht lange quälen mußte.
Also fuhr er wieder zurück – und tatsächlich: Das Tier hatte sich zum Sterben auf eine Mauer am Straßenrand geschleppt, die Augen waren geschlossen. Brendan nahm seinen schwersten Golfschläger aus dem Kofferraum und briet ihn der Katze über den Schädel. Ein paar Zuckungen, und sie war tot. Eine Frau vor dem strohgedeckten Cottage gegenüber, die Steine nach ihm warf, hielt ihn offenbar für einen Katzenhasser, weil sie die Vorgeschichte nicht mitbekommen hatte. Lange Erklärungen erschienen Brendan ziemlich sinnlos. Er sprang vorsichtshalber in seinen Wagen und machte sich aus dem Staub.
Nach einer Viertelstunde war die Fahrt zu Ende: Eine Polizeistreife stoppte ihn. Ob er öfter in der Gegend herumfahre und Katzen erschlage, wollte der Beamte wissen. Die Frau hatte auf dem Revier angerufen. Brendan erklärte ihm den Grund für die nur bei oberflächlicher Betrachtung barbarische Tat, die in Wirklichkeit dem Wohle der Katze diente. Er solle sich doch mal den Kühlergrill seines Wagens ansehen, riet ihm der Polizist. Dort hing, wie Jesus am Kreuz, der gestreifte Kater, den Brendan überfahren hatte. Die Katze am Straßenrand hatte nichtsahnend in der Sonne gedöst, als der Golfschläger sie traf. Kein Wunder, daß die Frau, der das Tier gehörte, mit Steinen nach dem Katzenkiller geworfen hatte.
Robuster als die beiden Miezen, die Brendan zum Opfer gefallen waren, sind die Katzen von Tontechnikern beim Film. Dabei handelt es sich nicht um echte Tiere, sondern um eine Hülle aus Kunstfell, die ein Mikrofon bei Außenaufnahmen vor Windgeräuschen schützt. Liam hatte seinem Mikrofonpullover eine rote Zunge angenäht, wodurch er einer richtigen Katze zum Verwechseln ähnlich sah, wenn er auf Liams Arm lag.
Eines Tages, während einer Filmpause in dem kleinen südirischen Dorf Templemartin, dessen Bewohner sich vollständig am Straßenrand versammelt hatten, wollte Liam sich ein Späßchen machen: Er legte seine „Katze“ vorsichtig auf den Boden. Dann versetzte er dem Fellbeutel einen mächtigen Fußtritt und brüllte ihn an, er solle gefälligst aus dem Weg gehen. Liam hatte allerdings kaum Gelegenheit, sich über die entsetzten Gesichter der Dörfler zu freuen, weil im nächsten Moment eine alte Dame mit einem Spazierstock auf ihn losging und ihm die hölzerne Waffe ein ums andere Mal um die Ohren haute. Liam beteuerte, daß es sich gar nicht um ein lebendiges Tier handelte, doch die Frau funkelte ihn wütend an und fauchte: „Jetzt natürlich nicht mehr, du dreckiger Tierquäler!“ Dann zog sie ihm den Holzstock ein letztes Mal über den Schädel. Liam hatte Glück, daß die Alte keine Golfspielerin war.
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