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Katja Kipping über Steinbrück„Links von der SPD ist noch Platz“

Die Parteichefin der Linken, Katja Kipping, über den SPD-Parteitag in Augsburg, neue alte Wahlkampfthemen und die Geschichte von Rot-Grün.

„Es ist nicht neu, dass sich die Sozialdemokraten vor den Wahlen deutlich linker präsentiert als danach“, sagt Linke-Chefin Katja Kipping Bild: dpa

taz: Frau Kipping, wie fanden Sie den Auftritt von Peer Steinbrück auf dem SPD-Parteitag?

Katja Kipping: Es war eine gute Show. Aber wenn man sich die Inhalte genau anschaut, ist kein Linksruck zu erkennen. Wenn die SPD wirklich Opposition wäre, würde sie das Zypernpaket im Bundestag ablehnen. Mit halber Opposition wird man keine starke Alternative.

Die SPD will aber einen Mindestlohn von 8,50 Euro, einen höheren Spitzensteuersatz, Bürgerversicherung, Mietenbremse. Klingt doch alles nach Linkspartei?

Das ist die Inszenierung. Aber mit einem Lohn von 8,50 Euro hat man auch nach 40 Jahren Vollzeitarbeit eine Rente, die unter dem jetzigen Hartz-IV-Satz liegt. Die Mietenbremse erlaubt Mietensteigerungen von 10 Prozent. Und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent bedeutet, dass die SPD noch nicht mal die Steuersenkung zurücknehmen will, die sie einst unter Gerhard Schröder durchgesetzt hat. Das ist nur eine Teilkorrektur eigener Fehler.

Aber die Richtung stimmt doch – nämlich die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen.

Es ist nicht neu, dass sich die Sozialdemokraten vor den Wahlen deutlich linker präsentiert als danach. Und interessant ist, wozu Steinbrück nichts gesagt hat. Er hat keine Alternative zu Merkels Eurokurs präsentiert, er will auch keine Erhöhung von Hartz IV.

dpa
Im Interview: KATJA KIPPING

35, ist seit Juni 2012 Vorsitzende der Linkspartei. Sie lebt in Dresden und Berlin und engagiert sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Die Grünen wollen Hartz IV auf 420 Euro erhöhen. Ist das kein Ansatzpunkt für die Linkspartei?

Bei den Grünen ist Hartz-IV-Erhöhung auf der Prioritätenliste weit nach hinten gerutscht. Die Sozialdemokraten wollen gar nichts ändern.

Sind Sie einfach ein bisschen sauer, dass die Sozialdemokraten der Linkspartei die Themen klauen?

Nein. Wir sind die einzige Partei, die die Hartz-IV-Sanktionen abschaffen will. Wir sind die einzige Partei, die sich wirklich für eine Begrenzung von Reichtum einsetzt. Und nur wir wollen ein Verbot von Waffenexporten. Wir haben genug Alleinstellungsmerkmale. Links von der SPD ist viel Platz.

Es gibt deutliche gesellschaftliche Mehrheiten für höhere Steuern für Reiche und Mindestlöhne. Doch im Herbst wird es wohl keine Regierung ohne Angela Merkel geben. Ist das kein Grund für die Linkspartei, auf Rot-Grün zuzugehen?

Eine rot-grüne Regierung ist kein Garant, dass diese Ideen auch umgesetzt werden. Das zeigt die Geschichte von Rot-Grün …

Das wäre die Aufgabe der Linkspartei …

Wir sind in den letzten Monaten immer mal wieder mit inhaltlichen Vorschlägen auf Rot-Grün zugegangen. Leider haben SPD und Grüne jede Zusammenarbeit mit uns ausgeschlossen. Warum sollten wir jemanden zum Kanzler wählen, der stolz auf Hartz IV ist, der nicht das Rentenniveau bei 53 Prozent garantieren will, der bei der Bankenrettung Angela Merkels Kurs unterstützt, und der nicht klar für eine antimilitaristische Außenpolitik steht. Frappierend ist, dass auch die Grünen in ihrem Wahlprogramm jede Zusammenarbeit mit uns ausschließen – nicht aber in gleicher Schärfe eine Zusammenarbeit mit der FDP.

Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) ist laut Meinungsumfragen auch für manche Linksparteiwähler eventuell wählbar. Nehmen Sie diese Partei ernst?

Wir beobachten neue Entwicklungen immer interessiert. Aber das ist eine Melange von Unternehmern und Professoren, die in der Vergangenheit genau die Positionen vertreten haben, die in die Krise geführt haben. Das ist das letzte Aufgebot des Ordoliberalismus.

Warum ist die AfD für Linkewähler dann attraktiv?

Wenn es diese Attraktivität gibt, wird sie verschwinden, je mehr man über diese Partei erfährt. Das ist keine Partei, die auch nur ansatzweise die Interessen von Beschäftigten oder Erwerbslosen vertritt.

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25 Kommentare

 / 
  • A
    Anti

    Katja, heirate mich!

  • A
    Azubi

    Haha :D dem kann ich mich anschließen CDU is in teilen linker als die SPD.

     

    Wenn die Grünen nun eine Zusammenarbeit mit der Linken auch ausschließen werd ich wohl auch Links wählen, weil die Grünen haben sich so weit von Ihren Idealen entfernt das ich keine Lust mehr verspüre sie zu wählen, von der SPD brauch ich garnicht erst noch anfangen die wurden hier ja schon außeinander gepflückt ;)

  • M
    Mario

    @diplom_hartzi: ganze 1 Prozent der SED Mitglieder ist heute in der LINKEN - also daran kann es schon mal nicht liegen. Im übrigen ist die AfD eine Altherrenveranstaltung - außer Anti-Euro haben die nun wirklich nicht viel zu bieten und da hat nun die LINKE bzw. PDS immer klare Position bezogen Kritik an den EU-Strukturen aber klar pro Europa. Gysi im BT zur Euroabstimmng 23.4.1998: "Die Frage, die sich bei der heutigen Debatte ergibt, ist meines Erachtens eine andere: Wie kommt man zu einer europäischen Integration? Kommt man tatsächlich zu einer europäischen Integration, indem man ein Europa der Banken schafft? Oder käme man nicht viel eher zu einer europäischen Integration, wenn man über den Weg der Kultur, wenn man über den Weg der Chancengleichheit in den Gesellschaften, wenn man über den Weg der Angleichungsprozesse und das Ziel der sozialen Gerechtigkeit ein solches Europa integriert? Das ist unsere grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben, über das es heute zu beschließen gilt. Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen. Das hat in der Geschichte noch niemals funktioniert, und das wird auch hier nicht funktionieren. Sie, Herr Genscher, haben vor allem davor gewarnt, daß es schlimme Folgen hätte, wenn die Europäische Währungsunion scheiterte. Ich behaupte, sie kann auch scheitern, wenn man sie einführt, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen."

  • I
    ilmtalkelly

    @ Marco,

     

    oder tut jedenfalls so. SPD und CDU fahren das gleiche Kanu.

  • N
    Niemand

    Der Spd glaub ich erst wieder wenn Leute wie Nahles die Partei führen.

    Wegen Leuten wie Steinbrück haben wir damals im Westen die heutige Linke gegründet. Sie ist und bleibt die einzige Partei, die die Interessen der Arbeitnehmer und sozial schwachen vertritt.

  • M
    Marco

    Ja aber den Platz links der SPD hat doch schon die Merkel'sche CDU eingenommen

  • AH
    Andreas Hoberg

    #Sascha Goldwasser: also wenn Sie Rechthaben mit Rechthaberei verwechseln, dann weiß ich auch nicht weiter. Es geht doch z.b bei der SchroederPD im Moment nicht darum, was Steinbrück in seiner Rede verkündet hat - da kann man vieles unterschreiben -, sondern seine Glaubwürdigkeit und die bemisst sich nun einmal an dem, was in der Vergangenheit passiert ist.

    Und welche Vision wollen Sie den hören. Die linke Utopie kann es doch erst wieder geben, wenn es eine hörbare Stimme im Parlament und der Regierung gibt, die eine linke Idee glaubwürdig vertritt...und genau dass glauben viele der Schroeder Partei und den sog. Grünen nicht mehr. Deshalb dümpelt die Schroeder PD bei 23% herum, werden die Grünen nur von ex FDP Wählern angehimmelt und die Linkspartei von den Medien ignoriert.

  • VP
    Vlado Plaga

    Mindestlohn von 8,50 Euro, einen höheren Spitzensteuersatz, Bürgerversicherung, Mietenbremse... wie stoppen diese Maßnahmen bitte die andauernde Umverteilung von der Masse zu den wenigen Reichen? Dazu bräuchte es ganz andere Mittel, z.B. Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, eine Grundsteuerreform, fließendes Geld bei dauerhaft niedrigen Zinsen, Privatisierungsstopp. Für weitere Informationen siehe:

    http://youtu.be/ucpuHAIrO9U

  • V
    vic

    @ diplom_hartzi

     

    Die Afd bietet gar nichts, außer den Anti- EU Kurs und einen dicken Pfeil nach rechts im Logo.

  • V
    vic

    Die SPD ist so wenig links wie die CDU. Die AfD ist für mich keine Option, und die Linke muss auf ihr "Alleinstellungsmerkmal" sehr gut aufpassen.

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Die Grünen haben jetzt offiziell die Zusammenarbeit mit der Linken verneint?

     

    Sollte das der Fall sein, wähle ich bei der nächsten Wahl Links. Das letzte Mal habe ich mir mit einer Freundin Linke und Grüne aufgeteilt (weil wir beide sowohl die Linke als auch die Grünen gutfinden). Wenn die Grünen nicht mit der Linken zusammenarbeiten wollen, machen sie diese Option unmöglich - und zwingen mich damit Links zu wählen.

  • M
    Montherlant

    „Links von der SPD ist noch Platz“

     

    Wie groß wäre wohl das Geschrei, wenn ein etablierter Politiker sagen würde, rechts von der CDU sei noch Platz...

     

    Oh, ich hör schon die grantigen Erwiderungen: "Wie kann man nur...!", "Rechts ist doch nicht gleich links!", "Wir sind doch die Guten!"

     

    Leute verlaßt den Kindergarten...

  • KG
    Klasse gegen Klasse

    Wenn man mit den Mindestlöhnen nicht auch endlich ein Verbot von Zwangsselbstständigkeit einführt, werden alle Blutsauger ihre Sklaven zwingen auf Gewerbeschein zu arbeiten.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Tja, die EX-SED pfeift auf dem letzen Loch, seit die SPD nach Links gerutscht ist.

     

    Da hilft auch dieses Interview nicht mehr.

  • AF
    Alternative für Deutschland: Verrecke!

    Dazu gibt es ein gutes Beispiel aus Griechenland. Die angeblich linksradikale Syriza ist in etwa so sozialdemokratisch wie die Pasok vor 30 Jahren. In etwa so wie hier die "Linke" den Kapitalismus nicht in Frage stellt und mit Grundeinkommen sogar noch den Imperialismus stabilisieren hilft, denn irgendwer muß dafür ja schliesslich bluten, damit die deutsche Wirtschaft blüht, aber das macht sie ja auch so. Wäre sie antiimperialistisch würde sie sich dafür einsetzen, daß z.b. kein Öl und keine Rohstoffe mehr verkauft und verarbeitet werden dürfen, die aus Diktaturen kommen.

  • H
    Hope

    Jetzt wo die AfD mitmischen will, kann man nur hoffen,dass FDP und die Piraten aus der politischen Landschaft verschwinden. Und hoffentlich bekommt dann Banken-Oma Merkel-, die Frau, die den Banken vertraut, auch ihr Fett weg.

  • FS
    fröhliche Sozialistin

    1:0 für Katja Kipping. Das lief ja wie geschmiert. Herr Reinecke hat sich arg bemüht "kritische" Fragen zu stellen, aber nichts anderes erreicht als Frau Kipping eine Vorlage nach der anderen zu geben, die Positionen der LINKEN klar heraus zu stellen.

    Vielen Dank für diesen Service.

     

    Die AfD ist eine Alternative für CDU- und FDP-Wähler, die das alles so nicht gewollt haben. Ohhh, seid ihr enttäuscht, daß ihr die Konsequenzen der neoliberalen Politik, die ihr vertretet einfach nicht verstanden habt?

    Ich hoffe, daß die Vermögensmillionäre, aus denen die FDP-Wählerschaft hauptsächlich besteht, die AfD wählen. 3% würden den Job erledigen. Dann lass ich am 22. September ein Fläschen feinsten Winzersekts sprudeln. Soviel Sozialismus muß sein.

  • JB
    Jim Becker

    Die SPD ist längst eine Partei der Reichen Geldsäcke geworden! Weder meine Freunde vom "Orden der Patrioten" und ich würden diese Leute wählen!

    Die Blockparteien CDU/GRÜNE/SPD/FDP unterscheiden sich sowieso nicht!

    Ich kann jedem nur dazu raten sich mit Hilfe des Internets nach Alternativen Parteien schlau zu machen!

    Viel Glück.

  • SG
    Sascha Goldwasser

    Oy! Die Kritik an der SPD und Agenda, historisch gesehen berechtigt, kommt hier derart furztrocken und besserwisserisch rüber dass der letzte Mut schwindet. Das soll die Speerspitze einer linken Alternative in der globalen Krise des Kapitalismus sein? Wo ist der Aufbruch, die Bewegung, der Horizont? Denkt mensch sich das hübsche Photo der jungen Politikerin weg, hört sich das vom Sound wie ein beleidigter Apparatschick an. Und dann auch noch widersprüchlich: der SPD Diskurs sei nun "deutlich linker" aber genau betrachtet doch nicht. Was denn nun? Soll das eine Glosse werden oder eine konkrete Utopie? Aufwachen!

  • D
    Dumm_gelaufen

    Einmal im Leben war ich (Arbeiter) so blöd die SPD zu wählen. Den schönen Gerhard - weil ich die Stimme nicht verschenken wollte. Der ist dann auch prompt

    (dank der Überhangmandate meiner Stadt), zum Kanzler gekürt worden.

    Was ich davon gehabt habe: Hartz-IV - aber nicht mal das, weil ich in einer Bedarfsgemeinschaft lebe.

    So blöd, einen Millionär zu wählen nur weil sich deren Partei etikettenschwindlerisch als „Arbeiterpartei“ präsentiert, werde ich für den Rest meines Lebens nicht mehr sein. Ist klar, wen ich wohl wählen werde?

  • 1
    1Denker

    "Aber das ist eine Melange von Unternehmern und Professoren, die in der Vergangenheit genau die Positionen vertreten haben, die in die Krise geführt haben."

     

    So sehr ich Ihre Argumente schätze Frau Kipping, hier irren Sie sich gewaltig, denn eben diese Herrschaften von der AfD haben schon vor Jahren vor der Krise gewarnt, vor allzu laschen EU-Beitrittskandidaten, vor dem Euro, der schwache Länder ruiniert, etc...

    Kann man heute alles beobachten...

  • D
    Detlev

    "Links von der SPD ist viel Platz."

     

    Da würde ich ihr zustimmen, aber wann hat die Linke eine Mehrheit im Bundestag? Das wird in der nächsten Zeit nicht passieren, deswegen bekommt Rot-Grün zwar auch keine Mehrheit zustande, aber es läuft doch darauf hinaus, dass es eine weitere große Koalition geben könnte. Die SPD schafft einfach nicht mehr die 30-Prozent-Marke. Und die Grünen können nicht 25 Prozent im Bund holen - das ist illusorisch.

     

    Weil Grüne und SPD keinen Bock auf die Linke haben, gibt es auch keine gesellschaftliche Debatte über (echte) linke Inhalte mehr. Das ist dann was für eine 6 bis 10 Prozent-Partei.

     

    Schlimm daran ist, dass es in der Urne zum Frust kommen kann und das bedeutet im Zweifel Piraten Partei, auch wenn die als Partei nicht wirklich funktionieren können oder wollen. Und dann drängen Randparteien eben die Mitte zur großen Koalition und die bringt überhaupt nix.

  • N
    Neo

    Es ist der Kampf Reich gegen Arm!

    Literaturtipp: Kaltes Land - Gegen die Verrohung der Bundesrepublik -Für eine humane Demokratie

    Filmtipp: Der Grosse Reibach und der Tanz der Geier gesendet auf dem Kulturkanal Arte am 2.10.2012 sowie Goldman Sachs -eine Bank lenkt die welt am 17.10.2012 und natürlich der 3Sat Themenabend vom 25.03.2013 zum Thema Kapitalismus und Neoliberalismus!!!

     

    Neo, die Unbestechlichen

  • 1
    1Empörer

    Bravo Frau Kipping!

    Die Inszenierung der SPD war leicht durchschaubar!

    Dann der Schulterschluß der zwei wohlgenährten neoliberalen Gestalten: Gabriel und Claudia Roth, einfach nur widerlich!

  • D
    diplom_hartzi

    Hallo Frau Kipping,

     

    kann es sein, dass die AfD für Linkenwähler attraktiv ist, weil in Ihren Basisorganisationen der Geist eines autoritären Politikverständnisses immer noch lebt?

    Aber Sie waren ja zu jung, um sich damit zubeschäftigen, betonen Sie ja immer wieder.