Kaspern im Europapunkt Bremen: McAllister ist wieder da
Der frühere Ministerpräsident Niedersachsens, David McAllister plaudert beim Bremen-Gastspiel übers britische EU-Referendum.
A llzuviel hält der Europaabgeordnete David McAllister (CDU), der mal als Nachfolger von Angela Merkel gehandelt wurde, nicht vom Volk. Das macht er deutlich bei seinem Gastspiel im Europapunkt: Bei einem Referendum wie der britischen Abstimmung über den EU-Verbleib werde „über alles mögliche abgestimmt, aber nicht über die Sache selbst“, befindet er.
Auch aus den übrigen Äußerungen des 2013 abgewählten niedersächsischen Ministerpräsidenten – er füllte das Amt aus, nachdem Christian Wulff zu seinem glücklosen Intermezzo als Bundespräsident gen Berlin aufgebrochen war – spricht eine gewisses Maß an WählerInnenverdrossenheit: Klar habe auch er bei Wahlkampfreden das negative Ölkännchen- und Gurkenkrümmungsverordnungs-Image der EU bedient. Das mache man halt, wenn man im Südoldenburgischen das Bierzelt zum Kochen bringen und seine Insassen als WählerInnen gewinnen wolle. So wie man in Bremen, wo man sich urban fühlt, auf Kosten der dummen südoldenburger Provinzler Billiglacher generiert.
Man geht also rum, erzählt den Leuten Quark und wird dafür gewählt – ein solches Demokratieverständnis könnte man für zynisch halten. Wahrscheinlich ist es aber nur so dahergeplappert, wie alles, was am Donnerstagabend aus dem Prince Charles der CDU anekdotensatt heraussprudelt. Jens Eckhoff, der die Moderation übernommen haben soll, sitzt daneben und lächelt versonnen. „Vielen Dank für das Eingangsstatement“, sagt er nach einer Dreiviertelstunde.
Bis dahin hat McAllister ausführlich dargelegt, was in den Medien auch schon steht, aber mit mehr Kasperle-Charisma: Also wer abstimmen darf, dass Brexit-Befürworter Boris Johnson peinliche NS-Vergleiche zieht, dass die Briten sich nicht gern belehren lassen, dass Barack Obamas scharfe Attacke gegen die Ausstiegsidee zunächst genau dieser zu Oberwasser verholfen habe, aber er darauf hoffe, dass sie am Ende doch noch den Verbleibbefürwortern nutze, dass zwar London und Schottland ganz sicher für den Verbleib votieren. Und, tritratrullala, dass er zu prophezeien wage, dass „in Gibraltar die Zustimmungswerte am höchsten sind“. Doch die Entscheidung falle nun mal in „Little England“. Dort wo man das Georgskreuz im Vorgarten hisst, und nicht mehr wie noch einst den Union Jack. Die Britishness sei der Englishness gewichen. „Das ist etwas ganz anderes.“ Er zieht dramatisch die Augenbrauen hoch.
Stimmt. Auch gibt es Unterschiede zwischen Causeur und Schwadroneur, die eher in den Ohren der ZuhörerInnen liegen. McAllister wirkt bemüht gutlaunig-zappelig: Manche Erwachsene müssen teuer koksen, um so drauf zu sein. McAllister aber ist garantiert substanzfrei. Eine kontroverse Diskussion lässt sein Wortkatarakt nicht zu, was ein paar Leute zu stören scheint. Viele aber mögen’s offenbar. Darauf, dass es die Mehrheit ist, möchte man nicht wetten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands