Kasachstan: Charme als Chance
in neues Mediengesetz soll kasachischen Journalisten mehr Rechte einräumen - 2009 will das Land den OSZE-Vorsitz übernehmen
ALMATY taz Ein morgendlicher Gang zum Kiosk macht in der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty Sinn. Dort finden sich im Gegensatz zu den Nachbarstaaten Usbekistan und Turkmenistan lesbare Zeitungen.
Das Angebot ist viefältig: Die trockene Regierungspostille Kasachstanskaja Pravda, die seriöse Wirtschaftszeitung Kapital oder die schrille Oppositionszeitung Svaboda Slova. Das auflagenstarke Tabloid Vremja führt seit Wochen auf der Titelseite eine Fehde mit dem kasachischen Minister für Medien und Kultur Ermuchamet Ertisabajew. Seit er Journalisten als "Pack" bezeichnet hat, verklagen sich Zeitung und Minister wechselseitig.
Dabei befindet sich Ertisabajew im Auftrag seines Herrn, des Präsidenten Nursultan Nasarbajew, inmitten einer Charmeoffensive für das Land. Das ölreiche Kasachstan strebt für 2009 den OSZE-Vorsitz an. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, hat bereits die Unterstützung der Bundesregierung zugesichert. Die USA und Großbritannien sind jedoch aufgrund der Demokratiedefizite in dem autokratisch regierten Steppenstaat eher skeptisch.
Ein einigermaßen demokratischer Urnengang bei den kommenden Parlamentswahlen am 18. August und ein neues Mediengesetz sollen das demokratische Image des Landes daher kräftig aufpolieren. Am 26. Juli hat Nasarbajews Minister in Wien der OSZE in die Hand versprochen, mit neuen Gesetzen die Medienlandschaft zu liberalisieren. Zukünftig sollen kasachische Journalisten Quellenschutz genießen und nicht mehr wegen unliebsamer Artikel strafrechtlich verfolgt und zu absurden Entschädigungen verdonnert werden. Zudem versprach der Kasache, die Zulassung neuer Medien zu erleichtern.
Der Zentralasien-Direktor der amerikanischen Medien-NGO Internews, Oleg Kazijew, begrüßt die Reformvorschläge. "Es ist mir gleich, ob das aus Imagegründen geschieht", sagt Kazijew, sollten die Vorschläge im Parlament wirklich zu Gesetzen werden, seien die schlimmsten Verfehlungen beseitigt. Immer wieder wurden in Kasachstan Journalisten zu Gefängnisstrafen verurteilt wie im Januar der Online-Journalist Kasis Togusbajew, der wegen Präsidentenbeleidigung zu zwei Jahren auf Bewährung verdonnert wurde. Der Kampf gegen die Pressefreiheit beschränkt sich allerdings nicht allein auf das Strafrecht. Seit April ist die Journalistin Oralgaischa Omarschanowa verschwunden, sie hatte für die Zeitung Zakon i Pravazudje über Korruption und organisiertes Verbrechen recherchiert und geschrieben. Kasachstan befindet sich auf der jährlich von "Reporter ohne Grenzen" veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit auf dem wenig rühmlichen 128 Platz zwischen Swasiland und Ruanda.
Die relative Medienvielfalt beschränkt sich in Kasachstan allein auf die Printmedien. TV und Radiostationen sind in der Hand der Regierung oder dem Präsidenten ergebener Oligarchen. Das Ausmaß der Medienmonopolisierung wurde offenbar, nachdem der Präsidentenschwiegersohn und kasachische Botschafter in Wien, Rachat Alijew, im Mai in Ungnade fiel und die kasachischen Behörden von Wien die Auslieferung des Ex-Diplomaten forderten. Alijew und die Präsidententochter Dariga Nasarbajewa hatten sich ein Medienimperium von TV-Stationen, Radios und Zeitungen zusammengerafft, was in diesem Zusammenhang öffentlich wurde. "Wer darüber früher schrieb, handelte sich eine Klage wegen Verleumdung ein", sagte Kazijew.
Der Opposition in Kasachstan hat der Skandal bisher nicht geholfen. Die Fernsehsender weigern sich, die im Gesetz zugesagte Werbung für die im August anstehenden Wahlen zu senden. So kommen die Oppositionspolitiker bisher allein im Internet oder in den Zeitungen zu Wort. "Die Mächtigen werden die Kontrolle über den Bildschirme niemals aus der Hand geben", sagt Kazijew, "denn darüber wird das Land regiert."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!