: Karl Lutschi und Jasow bei gefährlichen Spielen
US-Verteidigungsminister und sein sowjetischer Amtskollege besichtigen Großbomber „Black Jack“ auf einer geheimen Flugzeugbasis in der Sowjetunion / Beeindruckt von der hohen Kunst der Militärs / Carlucci strebt weiter Erhöhung des Militärhaushaltes an ■ Von Barbara Kerneck
Berlin (taz/wps/afp) - Als einen beispiellosen Morgen der militärischen Offenheit hat die 'Washington Post‘ jene Stunde bezeichnet, in der sich US-Verteidigungsminister Carlucci in den Bombenschacht des neuen sowjetischen Großbombers hinunterhievte, der in der NATO den Spitznamen Black Jack erhalten hat. Die mysteriöse Maschine, von der bisher keine Fotos existierten, gilt als die größte und schwerste ihrer Art und fliegt mit doppelter Schallgeschwindigkeit. Der sowjetische Stabschef, Marschall Sergej Achromejew, durfte im Juli in South Dakota die B-1, den entsprechenden amerikanischen Großbomber, inspizieren. In einem Zeitalter, in dem der Informationassatellit schon die Zeitung am Kiosk entziffern kann, hat der Zugang der hohen Besucher zu den Overkillmaschinen eher rituelle Bedeutung. Freimütig gestand Carlucci: „Ich bin kein ausgebildeter Beobachter. Sie haben mich zwar im Cockpit sitzen lassen, aber ich habe ein Instrument nicht vom anderen unterscheiden können.“ Auf dem Fliegerhorst Kubinka, der sonst für Ausländer streng gesperrt ist, besichtigte Carlucci noch einen Mig-29-Jäger. Nur wenige Kilometer von Kubinka entfernt stellte anschließend eine Panzerdivision einen breitangelegten Übungsangriff dar. Carlucci und sein sowjetischer Amtskollege General Dmitrij Jasow, sowie Jasows zehnjähriger Enkel genossen gemeinsam das Spektakel. Dies sei eine „große Kunst“, bemerkte ein Offizier der amerikanischen Delegation anerkennend. Gestern hat Carlucci noch Einheiten der sowjetischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol besucht. Auch auf unteren Ebenen soll nun den Sachverständigen der jeweils anderen Seite militärischer Anschauungsunterricht erteilt werden. Wenn sich auch Carlucci von der „bemerkenswerten Freimütigkeit und Offenheit“ seiner Gastgeber beeindruckt zeigte, bemängelte er nach einem vierstündigen Gespräch mit Jasow, er könne noch keine Veränderung der Sowjetstrategie im Hinblick auf eine eher defensive Militärdoktrin erkennen. Den Grund dieser Skepsis offenbarte er unverzüglich: Inflationsbedingt werde er weiterhin eine Erhöhung des amerikanischen Militärhaushalts um zwei Prozent anstreben. Doch auch die hochtechnisierten Manöverspiele zwischen den Großmächten können den Objekten der Begierde keine neue Unschuld verleihen.
„Warum wollen sie die Leute erschrecken?“ antwortete der Kommandant von Kubinka, als er nach dem russischen Namen des „Black Jack“ gefragt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen