■ Das Portrait: Karl-Heinz Kunckel
Ein bißchen wie Gorbatschow sieht er aus auf seinem Wahlposter mit dem Slogan „Wir in Sachsen haben unseren eigenen Kopf“. Karl-Heinz Kunckel will Ministerpräsident des grünweißen Freistaates werden. Der fünfzigjährige SPD-Spitzenkandidat wirbt mit einem von der Parteibasis bestätigten Regierungsprogramm und mit seiner Ost-Biographie.
Gern erzählt er, daß er nach Feierabend „als Mitglied der IG Bau, Steine, Erden“ am eigenen Haus die Kelle schwingt. „Ich bin noch darauf angewiesen, den Leuten zu sagen: Glaubt mir, dem Kunckel, daß ich es ehrlich meine mit euch. Ich bin einer von euch und kenne eure Probleme.“
Vor vier Jahren kämpfte Kunckel an der Seite der damaligen Spitzenkandidatin Anke Fuchs um die Macht in Sachsen. Peinliche 19,1 Prozent waren im Mutterland der deutschen Sozialdemokratie zu bekommen. Kunckel übernahm den Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag. Neu war die parlamentarische Arbeit nicht für den gelernten Maurer und promovierten Elektroingenieur. Von März bis Oktober 1990 hatte er der ersten freigewählten DDR-Volkskammer angehört. SPD-Mitglied war der bis dahin Parteilose seit Dezember 1989.
Sachsens Nummer zwei Foto: taz-Archiv
Als Kunckel 1993 zum neuen SPD-Landesvorsitzenden gewählt wurde, biß ihm sein Amtsvorgänger zum Abschied noch in die Waden: Kunckels Dienst bei der Betriebskampfgruppe kam ins Gerede. Er konterte: Man habe doch „auch in gebückter Haltung Anstand bewahren können“. Also spricht er sich beharrlich für die Aufnahme von „unbelasteten“ SED-Mitgliedern in den mit 5.200 Mitgliedern schwachbrüstigen Landesverband aus. Kunckel liebt staatsmännische Pose und brillante Rhetorik. Das verbindet ihn mit seinem Rivalen und Lehrmeister auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten. Biedenkopf konnte es sich gut leisten, Kunckel als Juniorpartner vorzuführen. Für den SPDler war das „neue politische Kultur“, für Kritiker ein „Schmusekurs“.
Der Fraktionschef verteidigte sich: „Man muß sich das vorstellen wie einen Baum mit zwei Ästen. Auf dem einen sitzt Biedenkopf, auf dem anderen ich. Der Stamm wiederum ist Sachsen. Daß die Äste sich gemeinsam für den Stamm stark machen, ist doch logisch.“ Erst spät war der Spitzenkandidat darauf gekommen, den anderen Ast mal in Frage zu stellen. Kunckel selbst hat bisher nicht ausgeschlossen, auch für eine große Koalition zur Verfügung zu stehen. Detlef Krell
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