Karl Geiger vor der Vierschanzentournee: Alle für einen Traum
Nach mäßigen Saisonergebnissen wird der Deutsche Karl Geiger bei der Vierschanzentournee als Außenseiter gehandelt. Ihm scheint die Rolle zu gefallen.
Neulich hat Karl Geiger mal wieder dran gedacht, wie das alles mit ihm und dem Skispringen in Oberstdorf angefangen hat. „Ich bin zweimal sieben Meter gesprungen – da war ich fünf“, hat er erzählt. Inzwischen ist Geiger bald 30 Jahre alt und hat selbst eine kleine Tochter. Als er bei der Generalprobe für die Vierschanzentournee in Engelberg stürzte, da meinte sie: „Hoppla, Papa umfallt.“
Umgefallen ist Karl Geiger in seiner Karriere ziemlich oft. Aber genauso oft ist er auch wieder aufgestanden und noch stärker zurückgekommen. Gilt das auch in den kommenden Tagen bei der am Mittwoch mit der Qualifikation auf seiner Heimschanze (16.30 Uhr/live in ZDF und Eurosport) beginnenden 71. Vierschanzentournee?
Im vergangenen Winter war der Oberstdorfer mit dem Gelben Trikot des Gesamtweltcup-Spitzenreiters als der große Topfavorit angereist. Doch statt den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit dem Triumph von Sven Hannawald vor 20 Jahren zu feiern, landete Geiger am Ende auf einem für ihn enttäuschenden vierten Platz in der Gesamtwertung.
Diesmal wird er nur als Außenseiter gehandelt, nachdem er in den acht Saison-Weltcups bislang nur einmal aufs Podest geflogen und zuletzt zudem gestürzt ist. Doch diese Rolle als Jäger scheint Karl Geiger zu taugen. „Natürlich gibt es Konkurrenten, die zuletzt noch ein Stück besser waren“, hat er zuletzt gesagt und hinzugefügt: „Aber ich bin entspannt und will eine wirklich gute Leistung bringen. Damit wir das Stadion ein bisschen anheizen können. Das wird genial.“
Tolle Stimmung in Oberstdorf
Erstmals seit drei Jahren sind wieder Zuschauer bei der Vierschanzentournee zugelassen. 25.000 werden es beim ausverkauften ersten Tourneespringen am Donnerstag (16.30 Uhr/live in ZDF und Eurosport) sein. Und dann wird der Schattenberg in der Heimat von „Karle“ zu „Geigerland“. „Beim Tourneespringen in Oberstdorf gab’s die beste Stimmung, die ich je erlebt habe. Ich durfte das Duell gegen Karl springen, stand in einem unfassbar lauten Hexenkessel und von allen Seiten wurde Karls Name reingerufen, auf den Rängen wurden Tausende Fahnen geschwenkt“, erinnert sich die deutsche Nachwuchshoffnung Philipp Raimund: „Ich hoffe, es wird in diesem Jahr wieder so aussehen.“
Davon ist mit Sicherheit auszugehen, denn der viermalige Weltmeister, Skiflug-Weltmeister und doppelte Olympiadritte Karl Geiger startet seinen elften Anlauf, um endlich die Tournee zu gewinnen. „Ja, das ist schon ein Lebenstraum, die Tournee zu gewinnen. Aber inzwischen ist es noch viel mehr ein Teamziel als ein individuelles Ziel von einzelnen Springern geworden. Wir wollen einfach alle, das es einer schafft. Ich zumindest werde den Traum nie aufgeben, so lange ich diesen Sport mache.“
Und das wird glücklicherweise noch eine Weile sein, wie Geiger verrät. „Ich entscheide das eigentlich von Jahr zu Jahr. Ich muss körperlich gesund sein und Spaß daran haben. Momentan macht mir der Sport eine unglaubliche Freude und ich kann mir sehr gut vorstellen, mindestens noch bis Olympia 2026 weiterzumachen. Dann bin ich 33 und würde immer noch nicht zum alten Eisen zählen“, sagt er. Zwar hätten Topathletinnen wie die Biathlon-Stars Magdalena Neuner oder Laura Dahlmeier ihre Karriere sehr früh beendet: „Aber bei mir ist es ja mit 25 erst so richtig losgegangen mit den Erfolgen. Ich fühle mich körperlich und mental in meinen besten Jahren.“
Mehr Angst hat er als Familienvater nicht: „Ich bin schon immer ein Typ gewesen, der nicht kopflos springt. Ich lege mir immer einen Plan zurecht. Das mag dann zwar in der Luft spektakulär aussehen, aber ich will dabei immer das Gefühl haben, alles kontrollieren zu können. Natürlich gibt es beim Skispringen immer ein Risiko, aber du musst mit Entschlossenheit fliegen. Sonst hat man keine Chance auf Siege.“ Genau die will Karl Geiger am liebsten bei dieser 71. Vierschanzentournee feiern.
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