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Karim El-Gawhary über Israels Rückendeckung für Syriens DrusenGeringe Halbwertzeit

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Syrien bombardieren lassen und vermarktet Israel als Schutzmacht der dort lebenden Drusen. Das ist unehrlich. Eigentlich geht es Netanjahu darum, den israelischen Einfluss auf syrisches Gebiet auszuweiten. Er versucht, an der Grenze tief in syrisches Gebiet hinein eine entmilitarisierte Zone zu schaffen, in der die syrische Armee nicht operieren kann. Und er versucht, sich mit den Drusen einen proisraelischen Player innerhalb Syriens aufzubauen.

Doch diese Strategie hat viele Unbekannte: etwa, ob die Drusen überhaupt mitspielen. Denn die sind in Sachen Israel gespalten. Viele syrische Drusen sind einerseits ausgesprochene Nationalisten. Doch gleichzeitig betrachten sie als religiöse Minderheit den derzeitigen syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa und seine dschihadistischen Gefolgsleute mit großem Misstrauen. Das macht sie wiederum nicht automatisch zu einem israelischen Bündnispartner.

Zudem kennen sie die Geschichte der einstigen israelischen Besatzung im Südlibanon, als Israel dort eine christliche Miliz, die sogenannte Südlibanesische Armee (SLA), aufbaute. Zeitgleich entstand dort jedoch auch die schiitische Hisbollah, die die israe­lische Armee im Jahr 2000 schließlich zum Abzug aus dem Südlibanon brachte. Die proisraelische SLA löste sich auf. Zahlreiche Kommandanten der christlichen Miliz mussten fliehen. Israelische Bündnispartner wie die SLA haben in der arabischen Welt eine geringe Halbwertzeit.

Auch in Syrien könnte bei dem Versuch Israels, das Grenzgebiet unter seinen Einfluss zu bekommen, ein neuer Widerstand entstehen – sei es in der sunnitischen beduinischen Bevölkerung oder auch in den Reihen der syrisch nationalistische Drusen.

Es ist eine Illusion Netanjahus, zu glauben, dass Israel den bunten arabischen religiösen und ethnischen Teppich in seiner Nachbarschaft militärisch und mit einer Teile-und-­herrsche-Politik dominieren kann. Aber eines kann er in jedem Fall: Öl ins Feuer des syrischen Chaos gießen.

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