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Karikaturistin Marie MarcksSie ist ihre eigene Frauenbewegung

Die Karikaturistin Marie Marcks wird neunzig. Ein Gespräch über die Wahrheit, die sich aus der Umdrehung der Welt ergibt.

Marie Marcks im August 1997. Bild: dpa

Marie Marcks warnt: Keine Frage zum Alter will die Karikaturistin gestellt bekommen. Eine schwierige Aufgabe, denn an diesem Samstag wird sie neunzig. Sie sitzt im ersten Stock ihres Hauses in Heidelberg. Eine alte Scheune einst – längst ausgebaut wie eine Wabe, hier ein Zimmer, da ein Zimmer, dort noch eins.

Im ersten Stock ist ihr Atelier – lichtdurchflutet, über und über voller Bilder, Skizzen, Karikaturen, Bücher, Regale, Tische. Mühsam und bucklig bewegt sich Marie Marcks, deren Knochen durch Osteoporose weich geworden sind, mit ihrem Rollator zwischen all diesen Dingen.

Also das Alter. Neunzig. Was Bissiges fällt der Jubilarin dazu nicht ein. Es ist langweilig, es bedrückt sie, es behindert sie. Immer die gleiche Straße vor ihrem Haus. Und dazu eine stupide Beschäftigung, die ihre Zeit aufsagt: Sie ordnet ihr Werk. Geschätzte dreitausend Zeichnungen und Karikaturen. „Also, ich sag mal, ich habe mir mein Alter anders vorgestellt, nicht, dass ich meine Arbeiten zähle.“ Aber weil sie Spuren hinterlassen will, macht sie es. Es soll nicht alles „April, April“ sein, wenn sie mal tot ist. Sie hält sich zugute, zur Aufklärung, zur Emanzipation in der Gesellschaft beigetragen zu haben.

Marie Marcks hat mit ihrer spitzen Feder viel aufs Korn genommen. In der Süddeutschen Zeitung war sie Karikaturistin. Zwischen Wiederaufrüstung, Neonazismus, Friedensbewegung und Umweltfrage wusch sie den Lesern und Leserinnen den Kopf.

Marie Marcks

Geburtstag: An diesem Samstag, dem 25. August, wird Marie Marcks neunzig Jahre alt. Geboren wurde sie 1922 in Berlin, den größten Teil ihres Lebens verbringt sie in Heidelberg in turbulenten Familienverhältnissen.

Werk: Noch bis zum 21. Oktober ist im Caricatura Museum in Frankfurt/Main, am Weckmarkt 17, eine Marie-Marcks-Ausstellung zu sehen. Karikaturen zu den Themen, die sie Jahrzehnte lang beschäftigten - wie Rüstung, Bildung, Emanzipation - werden gezeigt.

Am bekanntesten allerdings ist sie für ihre bissige Kommentierung der Geschlechterfrage. Auf Kleinstzeichnungen wird Welterfahrung so umgedreht, dass man darüber lachen kann. „Aber viele lachen gar nicht darüber“, interveniert Marcks und zieht aus dem Stapel vor sich auf dem Tisch eine Zeichnung. „Hier, gucken Sie, diese Zeichnung habe ich am Tage der Wiedervereinigung gemacht.“

Das Brandenburger Tor ist drauf und die tragenden Säulen sind übereinandergestapelte Frauen, die schuften, putzen, Sekretärin sind, an denen Kinder hängen. „Die Pferde der Quadriga sind auch Frauen. Und wenn Sie mich fragen, wie etwas lustig wird, selbst wenn es gar nicht lustig ist oder nur ein schmutziger Witz oder ein böser ist, ja, man kann etwas halt umfunktionieren. Hier sind Frauen dem Reiterwagen des siegreichen Feldherrn vorgespannt. Das ist böse.“

Nackte Menschen, nackte Sätze

Etwas Umfunktionieren, das also ist ihr Geheimnis. Oder dass man was umdreht. Sie zieht eine andere Karikatur aus dem Stapel. Da ist ein nicht so schöner Mann drauf, der von einer Frau ausgezogen wird und mit runtergelassenen Hosen vor ihr steht. „Weißt du, dass du schön bist?“, sagt die Frau. „Viel öfter ziehen doch die Männer die Frauen aus und sagen das zu den Frauen, aber wenn man es umdreht, steht dieser Satz auch nackt da, nicht nur die ausgezogene Person“, sagt Marcks.

Bild: taz

Das ganze Gespräch mit Marie Marcks sowie viele andere spannende Texte lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 25. und 26. August 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Dass es ihr gelang, das schiefe Verhältnis zwischen Männern und Frauen zuzuspitzen, das hat was mit ihrem eigenen Leben zu tun. Sie, eine fünffache Mutter, deren Kinder von drei Vätern stammen, ihre älteste Tochter hat sie noch im Krieg zur Welt gebracht, kennt sich aus mit Hähnen im Korb, Sonntagsvätern und dem Reformstau im Ehegattinnenwesen.

Sie brauchte keine Frauenbewegung, um auf die Barrikaden zu gehen. „Ich bin meine eigene Frauenbewegung.“ Denn Marcks, qua Charakter unbändig und gern auf der Nein-Seite stehend – „manchmal war ich Opposition um der Opposition willen; es hatte oft keinen Sinn, aber ich dachte es anders“ – bekam hautnah mit, dass da was nicht stimmte. Schließlich hatte sie nicht nur die Kinder, sie verdiente mitunter auch das Geld, während ihre Männer Doktorarbeiten schrieben oder sonstwie geistig beschäftigt waren. Alleinerziehend war sie nach der Scheidung auch.

Marcks ist bekannt für ihre Karikaturen, in denen sie diese Erfahrungen so „umfunktioniert“, dass darüber gelacht werden kann. Trotzdem findet sie es zurecht schade, dass selten nach den anderen Themen gefragt wird: Ihr frühes Anzeichnen gegen Atomwaffen, ihre Warnungen vor den Neonazis, ihre Sorge ums Klima. Sie hatte den Nationalsozialismus erlebt und ist damals nur für sich auf die Barrikaden gegangen. Nach dem Krieg verstand sie, dass Verantwortung darüber hinaus gehen muss. „Frieden, Umwelt, keine Aufrüstung, das war mir wichtig“, sagt sie.

Im sonntaz-Gespräch spricht Marie Marcks zudem über ihre zeichnerische Unbändigkeit, über Humor und wie es war, im Nationalsozialismus groß zu werden.

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