Karibik oder Polen?

■ CDU empört über die Verschickung eines jungen Straftäters in die Sonne

Für große Aufregung bei der CDU im Abgeordnetenhaus hat gestern die Verschickung eines 16jährigen für zehn Monate in die Dominikanische Republik gesorgt. Den Arbeitsaufenthalt in das Camp eines deutschen Aussiedlers hatte im vergangenen November ein Jugendrichter anstelle einer Haftstrafe verhängt. Der Junge stand wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die B.Z. zimmerte daraus die Schlagzeile: „Statt Strafe eine Reise. Auf unsere Kosten tanzt er in der Karibik“.

Auch die CDU, allen voran der Abgeordnete Dieter Biewald, tobte. Wenn schon wegschicken, dann nach Polen ins Arbeitslager und nicht an den Strand, schnaubte er. Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) verteidigte dagegen die Maßnahme. Der Junge hätte dringend den schlechten Einflüssen seiner Umgebung entzogen werden müssen. Die zehn Monate Karibik kosteten 52.000 Mark, ein Knastaufenthalt dagegen mehr als 70.000 Mark.

Der Junge war beschuldigt worden, im Mai 1996 einen auf einer Parkbank schlafenden Obdachlosen mit Pflastersteinen beworfen zu haben. Einer der Beschuldigten war wenig später zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. In dem Prozeß gegen den 16jährigen sagte der Verurteilte, daß dieser keinen Stein auf den Obdachlosen geworfen und auf die Gruppe eher mäßigend eingewirkt habe. Der Jugendrichter veranlaßte deshalb auf Antrag des Jugendamtes den Arbeitsaufenthalt im Camp des deutschen Aussiedlers und Sozialpädagogen Heinz- Jürgen Gieselmann.

Aber der CDUler Biewald kann beruhigt sein. Vielleicht ist die Karibik schlimmer als Polen. Ein Potsdamner Polizeisprecher bestätigte gestern, daß gegen Gieselmann ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mißhandlung eines Jugendlichen aus Brandenburg anhängig ist. Gieselmann selbst bestreitet die in dieser Woche auch vom Spiegel veröffentlichten Vorwürfe heftig. „Wir haben keine Zweifel an seinen Angaben“, erklärte der Tempelhofer Jugendstadtrat Dietrich Schippel (CDU) gestern der taz. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den 16jährigen zurückzuholen. plu