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Karadžić doch noch frei

■ Die Ifor soll angeblich versucht haben, den Serbenführer in Pale festzunehmen

Sarajevo (AP/taz) – Italienische Soldaten der Ifor-Truppen haben gestern vor dem Hauptquartier des als Kriegsverbrecher angeklagten bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić den Rückzug angetreten. Journalisten, die zu einem Interview mit Karadžić nach Pale bestellt waren, berichteten, unmittelbar vor dem vereinbarten Termin seien vor dessen Unterkunft im Hotel Panorama zwei Geländewagen mit Maschinenwaffen und einer Gruppe italienischer Ifor- Soldaten aufgetaucht. Die Fahrzeuge hätten versucht, auf den Parkplatz des Hotels zu gelangen.

Daraufhin seien Dutzende von Sicherheitskräften Karadžićs aus dem Gebäude geströmt und hätten sich den Soldaten mit schußbereiten automatischen Waffen entgegengestellt. Die Ifor-Soldaten hätten daraufhin ihre Fahrzeuge wieder gewendet und seien fortgefahren. Nato-Dienststellen und das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag nahmen zu dem Vorfall zunächst nicht Stellung. Damit blieb unklar, ob möglicherweise die Festnahme von Karadžić geplant war. Der Sprecher der Internationalen Polizei von Sarajevo, Alexander Iwanko, teilte gestern mit, innerhalb von 24 Stunden seien mehrere Angebote serbischer Polizisten eingegangen, ihren Dienst auch unter der bosnischen Regierung fortzusetzen.

Der serbische Verwaltungsbeamte Maksim Stanisic, der für Sarajevo zuständig ist, brach offen mit Karadžić und rief seine Landsleute zum Bleiben auf.

Iwanko warf Karadžić vor, mit einer Angstkampagne unter den Serben eine Massenflucht zu schüren. Serbische Bürgermeister, die nicht auf Karadžićs Linie lägen, würden von Rollkommandos heimgesucht und mit massiven Drohungen eingeschüchtert.

Auch der Sprecher des UNO- Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), Kris Janowski, sprach gestern von einer Manipulationskampagne, mit der eine Massenpsychose geschaffen werden solle. Die Situation in den serbisch-besetzten Vororten und dem serbischen Stadtteil Grbavica gleiche einem „Dampfkochtopf“.

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