: Kapitulation vor Statoil
■ Wattenmeer guckt in die Röhre, Statoil will noch eine
Von den 600 EinwenderInnen gegen die Erdgasleitung „Europipe“ durchs Wattenmeer in Ostfriesland, klagen jetzt nur noch zwei Landwirte. Einer von beiden nimmt seine Klage vermutlich in Kürze zurück, da er sich mit der norwegischen Firma Statoil geeinigt hat.
Die Fischerfamilie de Witt aus Accumersiel hat ebenfalls aufgegeben. „Wir konnten nicht mehr“, sagte Fischersfrau de Witt gestern. „Es wäre uns an die Existenz gegangen.“ Die Gerichte hätten so langsam gearbeitet, außerdem seien inzwischen durch den Baubeginn Tatsachen geschaffen worden. In Dornumersiel habe Statoil fünf Millionen reingepumpt, und der Bau der von Statoil finanzierten Sozialwohnungen habe ebenfalls schon begonnen. „Ich habe geheult, als wir die Klage zurückziehen mußten“, sagte de Witt. Der Fischer erhält lediglich eine Entschädigung für seinen befürchteten Einkommensverlust.
Das Planfeststellungsverfahren war Ende Oktober 1993 noch schnell durchgezogen worden, bevor der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) das Recht zu einer Verbandsklage bekam. „So sind die Naturschutzverbände darauf angewiesen, Privatpersonen zu finden, die im Sinne des Naturschutzes eine Klage einreichen“, kritisiert der Bremer Rechtsanwalt Andreas Reich, der die letzten noch klagenden Bauern vertritt.
Der neueste Schachzug von Statoil: Statt einer geplanten Rohrleitung sollen nun gleich zwei Leitungen in den Tunnel gelegt werden. Nach Angaben von Statoil wird das einen größeren Aushub an Sand bedeuten, nämlich 60.000 Kubikmeter mehr. „Der Grund dafür sind die Lieferverpflichtungen von Statoil. Es ist abzusehen, daß die Kapazitäten des einen Rohres irgendwann erschöpft sind“, erläutert Alex Siemer, Pressesprecher von Statoil in Emden. Die Entscheidungen der Behörden hätte Statoil gerne „relativ schnell“, damit der geplante Start zum Oktober 1995 eingehalten werden kann.
Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag Niedersachsen, Marion Schole, ist empört: „Es wäre unerträglich, wenn jetzt zum zweitenmal versucht würde, mit einem Durchzocken der Behörden die Verbandsklage zu umgehen.“
Die Grünen vermuten ohnehin, daß Statoil „offenbar schon seit geraumer Zeit die zweite Pipeline geplant hat. Es sei technisch und organisatorisch nicht möglich, innerhalb weniger Tage die Planungen sachgerecht von ein auf zwei Pipelines umzustellen.“
Just in diesen Tagen haben Statoil und die Firma Ruhrgas (Essen) 25 Millionen Mark an die Niedersächsische Wattenmeer-Stiftung gespendet.
Vivianne Agena
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