Kapitalistische Planwirtschaft beim RB Leipzig: Goliath steckt fest
Der österreichische Firmenklub RB Leipzig scheitert erneut an Meuselwitz & Co in der Regionalliga. Trotz eines Rekordetats von sieben Millionen gelingt der Aufstieg nicht.
Erfolg im Sport ist käuflich. Diese Überzeugung gehörte jedenfalls bislang zu den unerschütterlichen Grundsätzen des österreichischen Brauseriesen Red Bull. Zumindest vorübergehend wurde diese Vorstellung am Wochenende ins Wanken gebracht – in der Nachspielzeit im Regionalligaduell zwischen dem Leipziger Marketingklub RB und Wolfsburg II.
Anstatt den mühsam erkämpften 2:1-Vorsprung ins Ziel zu retten, produzierte die Leipziger Millionentruppe eine Fehlerkette, an deren Ende der Bundesliga-erfahrene Torhüter Pascal Borel einen Ball prallen ließ und damit das Ausgleichstor verschuldete.
Einen Spieltag vor dem Saisonfinale verabschiedete sich RB damit aus dem Aufstiegsrennen für die dritte Liga, dass nunmehr zu einem Duell zwischen dem Halleschen FC und Holstein Kiel geworden ist. Nach Spielende lag Leipzigs Trainer Peter Pacult seinem Wolfsburger Kollegen wie ein angeschlagener Boxer in den Armen, und Stürmer Daniel Frahn kullerten angesichts der verpatzten Chance die Tränen aus den Augen.
„Bitterer hätte man die Saison nicht abschließen können.“ Diese Einschätzung dürfte auch Dietrich Mateschitz teilen, Red-Bull-Chef und Sponsor der geschätzt mehr als 7 Millionen Euro, die der teuerste Viertligakader aller Zeiten in dieser Saison verschlang.
100 Millionen bis 2018
Der Plan, mit Investitionen von 100 Millionen Euro bis 2018 in Leipzig Bundesligafußball zu spielen, ist damit ins Stocken geraten. Nach der Gründung des Vereins im Jahr 2009 gelang zwar der direkte Regionalligaaufstieg, doch dort steckt man seitdem fest.
Vergangene Saison musste man den Chemnitzer FC ziehen lassen, dieses Jahr nun also Halle und Pokalschreck Kiel. Alle waren der finanziellen Potenz der roten Bullen nicht annähernd gewachsen und schafften es dennoch, dem Starensemble aus Leipzig die Grenzen aufzuzeigen.
Es kann getrost als eine der größten Überraschungen der Fußballsaison gelten, dass einem Team, gespickt mit einem halben Dutzend bundesligaerfahrener Spieler wie Timo Rost, Pascal Borel, oder Pekka Lagerblom, immer wieder Gegner wie Wolfsburg II oder dem ZFC Meuselwitz zum Verhängnis wurden.
Als sich zur Winterpause abzeichnete, dass der Aufstieg erneut kein Selbstläufer werden würde, nutzten die Verantwortlichen ihre Beziehungen nach Österreich und lockten drei Spieler, mit Erstligaerfahrung, darunter den 27-fachen Nationalspieler Roman Wallner, nach Leipzig.
Im Schnitt 7.500 Zuschauer
Der steuerte zwar in seinem ersten Spiel gegen Wilhelmshaven drei Treffer zum 8:2-Rekordsieg bei, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass RB Leipzig nun erneut als Geschlagener dasteht. Dabei begann die Saison so gut. Unter dem neuen Trainer Peter Pacult, dem dritten im dritten Jahr, stand man in der Liga lange an der Spitze, allerdings ohne sich absetzen zu können, und in der ersten Runde des DFB-Pokals wurde der VfL Wolfsburg mit 3:2 geschlagen.
Eine volle Leipziger WM-Arena bewies, welches Zuschauerpotenzial es in der fußballverrückten Stadt zu erobern gibt. Die Ligabegegnungen wurden im Schnitt von 7.500 Zuschauern verfolgt. Trotz der vielen Freikarten, mit denen RB in Leipzig um sich wirft, ein überragender Wert.
Sollte RB im kommenden Jahr nicht endlich den Sprung schaffen, dürfte das Interesse des mühsam erreichten Publikums bald wieder schwinden. In Salzburg, dem Pilotprojekt des Konzernfußballs, ist man schon lang an diesem Punkt angekommen. Zum Heimspiel am drittletzten Spieltag, an dem sich die Salzburger vorzeitig die Meisterschaft sichern konnten, war die Arena in der Mozartstadt nicht einmal zu einem Drittel gefüllt.
Auch deshalb schraubte Red Bull die Ansprüche an die Salzburger Filiale zurück. Konzernchef Mateschitz hat es klar zum Ausdruck gebracht: „Unsere Fußballzukunft ist nicht mehr auf Salzburg fokussiert.“ In Österreich will man „nur noch mit Spielern und jungen Talenten arbeiten, von denen wir möglichst viele für Leipzig bundesligatauglich machen wollen.“
Pacult bleibt
Langfristig soll die europäische Fußballbühne mit Leipzig erobert werden. Im Widerspruch dazu steht einzig die Realität, die Misserfolge der vergangen beiden Jahre, auf die man in der Fuschler Zentrale jedoch mit erstaunlicher Geduld reagiert.
Peter Pacult darf weitermachen und wird erneut einen Kader zur Verfügung gestellt bekommen, der darauf ausgerichtet ist, einer Liga, in der es nichts zu verdienen gibt, endgültig zu entfliehen. Denn der Grundsatz des käuflichen Erfolges ist zwar erschütterbar, aber auf Dauer nicht zu brechen.
Oder wie es Gerd Schädlich, Aufstiegstrainer von Chemnitz vor einem Jahr formulierte: „Dieses Jahr lagen wir vorne, aber langfristig wird man sie nicht stoppen können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen