■ Bonn apart: Kanzlers Park
Im Treibhaus Bonn stehen zwar wegen der Hitze alle Türen offen, aber Staatsgeheimnisse sind keine zu belauschen. Auch die schwere Tür zum Sortierzimmer im Postamt 12 im Regierungsviertel steht sperrangelweit offen. Drinnen werden die Sendungen sortiert: an den Bundeskanzler Herrn Dr. Helmut Kohl, an das Bundesministerium für Arbeit, an den Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, an die taz, an den Bundespräsidenten – an wen?
Ein Abgang schafft Verwirrung. „Richard von Weizsäcker“, schallt es durch die Tür, „wo kommt der denn jetzt hin?“ Der Überpräsident ist auch nur ein Briefempfänger: „Ich glaub', der ist in Berlin.“
In der taz-Post findet sich ein Brief des besagten Abgeordneten Beucher (SPD). Der regt sich über einen TV-Auftritt des Kanzlers auf. Laut Beucher ist Kohl in einer Sendung über Demonstranten hergezogen, die ihm ein Plakat mit der Aufschrift „Arbeitslos im kollektiven Freizeitpark“ entgegenstreckten: „Die hier demonstriert haben, waren ja zum großen Teil Leute, die net arbeitslos sind, sondern Leute, die noch nie gearbeitet haben. Die leben ja zum Teil vom Demonstrieren und werden auch dafür von irgendwelchen Leuten bezahlt.“
Der Oppositionsmann hat gleich eine Anfrage formuliert: Von wem wurden diese Demonstranten nur bezahlt? In der Formelsprache parlamentarischer Anfragen ist er geübt: „Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob es für das Berufsbild des bezahlten Demonstranten Festanstellung und Ganztagestätigkeit evtl. mit Ausbildungskursen, Lehre, Studiengängen oder ähnlichem gibt, oder ist die Beschäftigung nur als Nebenerwerbstätigkeit zu betrachten?“
Und, an wohlfeile Versprechungen denkend: „Vermittelt die Bundesanstalt für Arbeit Stellen als bezahlter Demonstrant, und liegen bereits Erkenntnisse über Fälle von Schwarzarbeit vor?“ Wird das Präsidium die Anfrage weiterleiten? Die Frage ist nicht zu klären. Denn in Beuchers Büro geht am Freitag um 13.15 Uhr niemand mehr ans Telefon. Hoffentlich kein Fall von Freizeitpark, Herr Beucher! Hans Monath
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