Kanzlerin kann Chef-Berater nicht durchsetzen: Pleite für Krisenmanagerin Merkel
Am Vormittag kündigte die Kanzlerin an, Ex-Bundesbank-Chef Tietmeyer werde das Expertengremium für neue Finanzregeln leiten. Nach Protesten und Gelächter trat der 77-Jährige mittags schon zurück.
BERLIN rtr/ap/dpa Es dürfte die kürzeste Amtszeit aller Zeiten gewesen sein: Am Mittwochmorgen noch verkündete Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die Bundesregierung eine Expertengruppe einsetzen wolle, um neue Regeln für die Finanzmärkte zu erarbeiten. Vorsitzender solle der frühere Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer werden. Doch schon um die Mittagszeit erklärte der 77-jährige wieder seinen Rücktritt vom Amt. Damit reagierte Tietmeyer auf die heftigen Kontroversen um seine Person.
Schon als Merkel mit ihrem Personalvorschlag herausrückte, lachten viele Abgeordnete spontan auf. Der Linksfraktions-Vorsitzende Oskar Lafontaine nannte Tietmeyer den denkbar schlechtesten Ratgeber im Falle einer Finanzkrise. So gehört Tietmeyer dem Aufsichtsrat des DAX-Konzerns Hypo Real Estate (HRE) an, der mit einem Paket von 50 Milliarden Euro von Bund und Banken gerettet werden musste.
Zudem hatte die Kanzlerin die Personalie Tietmeyer nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt. Von dort kam sofort Widerstand: "Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht", sagte SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider am Mittwoch im Bundestag. Nach dem Debakel hieß es im Kanzleramt dann nur noch diplomatisch, der Rückzug des 77-jährigen sei "mit Respekt" aufgenommen worden.
Jetzt will die Bundesregierung bis zum Wochenende klären, wer die geplante Finanzgruppe leiten soll. Bis dahin werde auch die Entscheidung fallen, welche nationalen und internationalen Experten noch diesem Gremium angehören sollen. Es bleibt abzuwarten, ob die Personalie Tietmeyer das Ansehen Merkels als Krisenmanagerin beschädigt.
Bisher hat die Kanzlerin offenbar in der Finanzkrise an Zustimmung gewonnen. Würde die Regierungschefin direkt gewählt, könnte die CDU-Vorsitzende mit 50 Prozent der Stimmen rechnen, hieß es in der jüngsten Forsa-Umfrage. Merkel legte gegenüber der Vorwoche um drei Prozentpunkte zu. Für den designierten SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier würden nur noch 24 Prozent nach 26 Prozent vor einer Woche stimmen. Nach den am Mittwoch veröffentlichten Ergebnissen legten CDU und CSU auch bei der Sonntagsfrage um zwei Punkte auf 35 Prozent zu. Die SPD gab drei Prozentpunkte ab und würde nur 24 Prozent bekommen, wenn der Bundestag am nächsten Sonntag neu gewählt würde. Die Linkspartei verlor einen Punkt auf zwölf Prozent, die Grünen legten um einen Zähler auf zehn Prozent zu. Die Freien Demokraten liegen unverändert bei 13 Prozent.
Danach hätte das bürgerliche Lager aus Union und FDP mit 48 Prozent wieder zwei Punkte Vorsprung vor SPD, Linken und Grünen. Für die Erhebung befragte Forsa von Montag bis Freitag voriger Woche 2509 Bundesbürger. Die Fehlerquote liegt bei 2,5 Prozentpunkten. Die Mehrheit der Deutschen will Forsa zufolge die Gehälter von Spitzenmanagern begrenzen. 43 Prozent der Befragten seien der Ansicht, dass ein Jahresgehalt von 500.000 Euro ausreiche. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat diese Obergrenze für Banken ins Gespräch gebracht, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen.
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